„Mehrwert oder bürokratische Überlastung für Unternehmer und Sicherheitsfachkräfte?“
1. Einleitung
Die DGUV Vorschrift 2 (Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“) konkretisiert die Anforderungen des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG). Sie regelt verbindlich, welche Maßnahmen Unternehmer treffen müssen, um Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) zu bestellen und einzusetzen, damit Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz effektiv gewährleistet werden.
Die Vorschrift beeinflusst maßgeblich, wie Arbeitsschutz in der betrieblichen Praxis konkret umgesetzt wird. Sie definiert Umfang, Qualifikation und Form der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung. Unternehmer und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind verpflichtet, diese Anforderungen umzusetzen. Somit hat die DGUV Vorschrift 2 unmittelbare Auswirkungen auf den betrieblichen Alltag und die organisatorischen Prozesse im Unternehmen.
Nach über zehn Jahren erfolgte nun Ende 2024 eine grundlegende Überarbeitung dieser Vorschrift. Dabei wurden insbesondere die Anforderungen an die Qualifikation der Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Struktur und der Umfang der Betreuung sowie die Integration digitaler Betreuungsformen umfassend verändert. Im Kern steht dabei eine Erhöhung der Anforderungen an die sicherheitstechnische Fachkunde sowie spezifische Regelungen zur Bereichsqualifizierung („Lernfeld 6“).
Diese grundlegenden Änderungen werfen eine entscheidende Fragestellung auf:
„Ist die neue DGUV Vorschrift 2 tatsächlich ein Fortschritt für Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Unternehmer, oder schafft sie vielmehr neue rechtliche und praktische Hürden?“
Zur Beantwortung dieser Frage folgt im ersten Schritt ein übersichtlicher und unmittelbarer Vergleich zwischen der bisherigen DGUV Vorschrift 2 (Stand 2012) und der neuen DGUV Vorschrift 2 (Stand 2024).
Tabelle 1: Direkter Vergleich der zentralen Regelungen DGUV Vorschrift 2 (alt, 2012) und DGUV Vorschrift 2 (neu, 2024)
Bereich
DGUV Vorschrift 2 (alt, Stand 2012)
DGUV Vorschrift 2 (neu, Stand 2024)
Betreuungsumfang
Betriebe bis 10 Beschäftigte: Regelbetreuung nach Anlage 1. Über 10 Beschäftigte: Regelbetreuung nach Anlage 2.
Betriebe bis 20 Beschäftigte: Regelbetreuung nach Anlage 1. Über 20 Beschäftigte: Regelbetreuung nach Anlage 2.
Digitale Betreuung
Kaum spezifische Regelungen; Betreuung hauptsächlich in Präsenz erforderlich.
Digitale Betreuung bis zu einem Drittel der Leistungen generell erlaubt, unter definierten Bedingungen bis zu 50 % möglich.
Fachkunde der SiFa
Akademischer Abschluss („Sicherheitsingenieur“) mit mind. 1 Jahr Berufserfahrung ausreichend; alternativ Meister, Techniker, Ingenieur mit 2 Jahren Berufserfahrung plus staatl./UVT-Lehrgang.
Für alle neu verpflichtend: Erfolgreicher Abschluss des staatlichen oder UVT-Qualifizierungslehrgangs (Lernfelder 1–5) und verpflichtend zusätzlich Lernfeld 6 (branchenspezifische Qualifikation bei UVT).
Gleichwertige Qualifikationen
Personen mit gleichwertiger Qualifikation konnten tätig werden.
Personen mit Studienabschluss (z. B. Physik, Chemie, Humanmedizin, Ergonomie) brauchen zusätzlichen Qualifizierungslehrgang und ggf. Einzelzulassung durch Behörde (§ 7 Abs. 2 ASiG).
Berichtspflicht
Regelmäßiger schriftlicher Bericht über Erfüllung der Aufgaben.
Regelmäßiger elektronischer oder schriftlicher Bericht inklusive Nachweis der Fortbildungen.
Übergangsregelungen
Klare Übergangsregelung bezüglich der vorhandenen Qualifikationen.
Detaillierte Übergangsregelungen zur Fachkunde, Berichtspflicht und bisherigen Verträgen.
Die Frage, ob diese Neuerungen tatsächlich ein Fortschritt oder eher ein Hemmnis für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie Unternehmer darstellen, muss nicht nur auf Basis der faktischen Veränderungen, sondern insbesondere im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und praktischen Herausforderungen geprüft werden. Dazu sollen im nachfolgenden Teil insbesondere juristische und praktische Aspekte beleuchtet werden, um die Rechtssicherheit und Praktikabilität der neuen DGUV Vorschrift 2 kritisch zu hinterfragen und abschließend bewerten zu können.
Die neue DGUV Vorschrift 2 enthält klare Übergangsregelungen, die explizit vorsehen, dass Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die nach der bisher gültigen Fassung (2012) ihre Qualifikation erworben haben, weiterhin als ausreichend qualifiziert gelten. Im Detail besagt die neue DGUV Vorschrift 2 (Stand 29.11.2024):
„Sofern Ärztinnen oder Ärzte oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit nach einer vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Unfallverhütungsvorschrift geltenden Fassung ihre arbeitsmedizinische oder sicherheitstechnische Fachkunde erfolgreich erworben haben, kann der Unternehmer die in dieser Unfallverhütungsvorschrift insoweit geforderte Fachkunde als gegeben ansehen.“.
Klartext für Fachkräfte („Altfälle“): Wer bereits als Sicherheitsingenieur oder Fachkraft für Arbeitssicherheit qualifiziert und bestellt ist, bleibt auch nach Inkrafttreten der neuen DGUV Vorschrift 2 voll anerkannt. Ein zusätzliches Absolvieren des neuen branchenspezifischen Qualifizierungslehrgangs („Lernfeld 6“) bei den Unfallversicherungsträgern (UVT) ist für bereits qualifizierte Fachkräfte nicht erforderlich. Diese Übergangsregelung schützt somit alle „Altfälle“ ausdrücklich und stellt klar, dass es keinen Zwang zur Nachqualifikation gibt.
Fazit: Du bist als bereits qualifizierte Fachkraft von den neuen Anforderungen ausdrücklich nicht betroffen. Rechtlich und praktisch gibt es für bestehende Qualifikationen Bestandsschutz. Es besteht somit keine Pflicht zur Teilnahme am neuen branchenspezifischen Qualifizierungslehrgang (Lernfeld 6), wenn du vor Inkrafttreten der neuen Vorschrift bereits fachlich anerkannt warst. Damit kannst du mit rechtlicher Sicherheit weiterhin deine bisherigen Qualifikationen vollumfänglich nutzen und musst nicht erneut eine Qualifizierung bei den UVT durchlaufen.
2. Hintergrund und Ziel der DGUV Vorschrift 2
Ursprung und Zielsetzung der DGUV Vorschrift 2
Die DGUV Vorschrift 2, auch bekannt als Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“, hat ihren Ursprung im Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) von 1973. Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmer, Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, um betriebliche Risiken systematisch zu erkennen, Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen zu verhüten und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.
Ziel der DGUV Vorschrift 2 ist es, die Anforderungen des Arbeitssicherheitsgesetzes praxisgerecht umzusetzen und Unternehmern sowie Fachkräften für Arbeitssicherheit verbindliche Vorgaben zu Qualifikation, Umfang und Organisation der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung zu geben. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Arbeitgeber ihre Verantwortung für Sicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb effektiv wahrnehmen können.
Bedeutung der Vorschrift in der Praxis des Arbeitsschutzes
In der betrieblichen Praxis hat sich die DGUV Vorschrift 2 als zentrales Regelwerk etabliert, da sie klare und verbindliche Maßgaben für die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung enthält. Sie definiert insbesondere folgende Kernpunkte:
Anforderungen an die Qualifikation und Fachkunde der Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
Organisation und Umfang der sicherheitstechnischen Betreuung im Betrieb.
Anforderungen an die arbeitsmedizinische Fachkunde der Betriebsärzte.
Melde-, Berichtspflichten sowie Nachweispflichten der Unternehmer gegenüber Behörden und Unfallversicherungsträgern.
Durch diese klare Festlegung trägt die Vorschrift wesentlich zur Rechtssicherheit bei, indem sie Arbeitgebern und Fachkräften transparent darstellt, wie sie ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen können. Gleichzeitig setzt sie qualitative Standards im Arbeitsschutz, was langfristig die Zahl von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten senken und das Niveau von Sicherheit und Gesundheitsschutz erhöhen soll.
Übersicht über bisherige Versionen und ihre Akzeptanz in der Praxis
Die DGUV Vorschrift 2 wurde in ihrer bisherigen Fassung zum 01. Januar 2011 eingeführt und löste die zuvor geltende Unfallverhütungsvorschrift BGV A2 („Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“) aus dem Jahr 2005 ab. Damit brachte die DGUV Vorschrift 2 erstmals eine differenzierte Regelung der Betreuungspflichten nach Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit, was in der Praxis eine weitgehend positive Resonanz hervorrief. Unternehmer und Fachkräfte für Arbeitssicherheit schätzten die damit verbundene Flexibilität sowie Klarheit und Rechtssicherheit.
Im November 2024 wurde nun eine neue Version der DGUV Vorschrift 2 veröffentlicht, die wesentliche Änderungen beinhaltet. Neben einer Anpassung der Schwellenwerte für Betreuungsmodelle und einer neuen, expliziten Regelung zur Nutzung digitaler Betreuungsformen, bringt die neue Version insbesondere erhöhte Anforderungen an die Qualifikation der Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit sich.
Um die bisherigen Regelungen klar gegenüberzustellen, folgt eine vergleichende Übersicht:
Tabelle 2: Überblick über wesentliche Entwicklungsschritte der DGUV Vorschrift 2
Aspekt der Vorschrift
Version 2005 (BGV A2)
Version 2012 (DGUV V2 alt)
Version 2024 (DGUV V2 neu)
Qualifikationsanforderungen Fachkräfte für Arbeitssicherheit
Ingenieure, Techniker, Meister mit UVT-Lehrgang, für Sicherheitsingenieure reicht akademische Ausbildung und 1 Jahr Praxis aus.
Keine wesentlichen Änderungen zur Version 2005.
Zusätzliche zwingende Qualifizierung „Lernfeld 6“ (bereichsbezogene Qualifizierung) durch UVT erforderlich.
Betreuungsmodelle
Regelbetreuung nach Unternehmensgröße; bis 10 Beschäftigte Anlage 1, über 10 Beschäftigte Anlage 2.
Keine wesentlichen Änderungen zur Version 2005.
Erhöhung der Grenze für Regelbetreuung von 10 auf 20 Beschäftigte. Neue differenzierte Modelle ab 20 Beschäftigten.
Digitale Betreuung
Nicht explizit geregelt.
Keine wesentlichen Änderungen zur Version 2005.
Digitale Betreuung (bis zu 1/3 der Leistungen, unter definierten Bedingungen max. 50%) explizit erlaubt und geregelt.
Berichtspflichten Unternehmer
Schriftlicher Bericht der Betriebsärzte und SiFa.
Keine wesentlichen Änderungen zur Version 2005.
Schriftlicher oder elektronischer Bericht; zusätzliche Dokumentation der Fortbildungen.
In der Praxis war die Akzeptanz der DGUV Vorschrift 2 (Version 2012) sehr hoch, da sie die erforderliche Sicherheit und Klarheit für Unternehmer und Fachkräfte bot, ohne unnötige Zusatzbelastungen zu schaffen. Die nun vorliegende neue Fassung (2024) führt allerdings – insbesondere durch erweiterte Qualifikationsanforderungen – zu Diskussionen, ob die zusätzlichen Regelungen tatsächlich praxisgerecht sind oder den betrieblichen Alltag durch bürokratische Anforderungen belasten.
Im nachfolgenden Abschnitt werden daher sowohl die rechtliche Zulässigkeit als auch die praktischen Auswirkungen der Neuregelung näher geprüft.
Wann trifft § 18 ASiG zu?
Die Bestellung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit setzt gemäß ASiG und DGUV Vorschrift 2 grundsätzlich voraus: Ingenieur, Techniker, oder Meister mit entsprechender Qualifikation sowie absolvierte SiFa-Ausbildung nach DGUV V2, oder Gleichwertige Qualifikation (z.B. Studienabschluss in Physik, Chemie, Biologie, Medizin oder Arbeitswissenschaften) mit ergänzendem Lehrgang und ggf. Einzelzulassung nach § 7 Abs. 2 ASiG.
Personen, die keine formalen Qualifikationen als Meister, Techniker oder Ingenieur nachweisen können und nicht über eine gleichwertige akademische Qualifikation verfügen, erfüllen nicht automatisch die formalen Anforderungen. Sie müssen explizit durch die zuständige Behörde zugelassen werden. Die Ausnahme nach § 18 ASiG ist genau dafür vorgesehen: Sie erlaubt die Bestellung von Personen, die noch nicht alle formalen Voraussetzungen erfüllen, jedoch realistisch in kurzer Zeit die fehlenden Qualifikationen nachholen können.
Konsequenzen für die Praxis: Wer ohne formale Qualifikation (kein Meister, Techniker, Ingenieur, o.ä.) tätig werden möchte, benötigt zwingend eine behördliche Ausnahmegenehmigung nach § 18 ASiG. Diese Erlaubnis wird stets individuell und zeitlich begrenzt erteilt. Innerhalb dieser Frist muss die Fachkraft die vollständige formale Qualifikation nachweisen. Die Bestellung ohne Erlaubnis der Behörde wäre nicht rechtskonform und könnte zu rechtlichen Konsequenzen für den Arbeitgeber führen.
3. Wesentliche Änderungen in der neuen DGUV Vorschrift 2 (2024)
Die im November 2024 veröffentlichte Neufassung der DGUV Vorschrift 2 beinhaltet eine Reihe grundlegender Änderungen, die sowohl die Qualifikationsanforderungen als auch die praktische Durchführung der sicherheitstechnischen und betriebsärztlichen Betreuung im Unternehmen beeinflussen. Ziel dieser Anpassungen ist es, aktuellen Entwicklungen in Technik, Arbeitsmedizin und Praxisanforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig rechtliche Klarheit zu schaffen.
Im Folgenden sind die wichtigsten Veränderungen übersichtlich dargestellt:
Tabelle 1: Direkter Vergleich „alt“ (DGUV Vorschrift 2, Stand 2012) vs. „neu“ (DGUV Vorschrift 2, Stand 2024)
Regelungsbereich
DGUV Vorschrift 2 (2012)
DGUV Vorschrift 2 (2024)
Betreuungsmodelle und Beschäftigtenzahl
Regelbetreuung nach Anlage 1 bis 10 Beschäftigte, über 10 Beschäftigte nach Anlage 2.
Grenze angehoben: Regelbetreuung bis 20 Beschäftigte Anlage 1, über 20 Beschäftigte Anlage 2.
Qualifikationsanforderungen SiFa
Sicherheitsingenieure: Ingenieurabschluss + mind. 1 Jahr Berufserfahrung ausreichend. Andere Fachkräfte: Techniker, Meister oder gleichwertige Qualifikation + staatl./UVT-Lehrgang.
Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte: zwingend staatlicher oder UVT-Qualifizierungslehrgang (Lernfelder 1–5) und zusätzlich zwingend branchenspezifisches Lernfeld 6 bei UVT.
Digitale Betreuung
Keine expliziten Vorgaben für digitale Betreuung. Präsenzbetreuung üblich.
Explizite Regelung: digitale Betreuung bis max. 1/3, unter besonderen Bedingungen bis zu 50% zulässig.
Berichtspflichten
Schriftlicher Bericht zu erledigten Aufgaben.
Schriftlicher oder elektronischer Bericht, zusätzliche Nachweispflicht über regelmäßige Fortbildungen.
Alternative Betreuungsmodelle (Unternehmermodell)
Klar geregelte alternative Betreuung bis max. 50 Beschäftigte (Anlagen 3 und 4).
Ebenfalls klar geregelte alternative Betreuung bis max. 50 Beschäftigte, ergänzt durch digitale Lösungen und zusätzliche Anforderungen zur Qualifizierung.
Weiterhin klarer Bestandsschutz, jedoch mit konkreten Übergangsregelungen für Verträge, Berichtspflichten und Nachqualifizierung.
Besondere Änderungen bei den Qualifikationsanforderungen („Lernfeld 6“):
Die wohl tiefgreifendste Änderung betrifft die Anforderungen an die Qualifikation der Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa). Neu eingeführt wurde das sogenannte „Lernfeld 6“ (bereichsbezogene Qualifizierung):
Während bisher akademisch ausgebildete Sicherheitsingenieure allein durch ihren Hochschulabschluss und mindestens einjährige praktische Berufserfahrung unmittelbar die fachlichen Anforderungen erfüllten, fordert die neue DGUV Vorschrift 2 zwingend den zusätzlichen Nachweis einer branchenspezifischen Qualifikation (Lernfeld 6).
Diese Zusatzqualifikation kann ausschließlich bei den zuständigen Unfallversicherungsträgern (UVT) erworben werden und ist nun verpflichtender Bestandteil für die Bestellung neuer Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
Damit werden bisherige akademische Qualifikationen formal eingeschränkt, und der Zugang zur Tätigkeit als SiFa wird unmittelbar von einem zusätzlichen UVT-Lehrgang abhängig gemacht.
Relevante Auswirkungen in der Praxis:
Erhöhung der Qualifikationsanforderungen für zukünftige Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
Verlagerung des Schwerpunktes der Qualifizierung weg von Hochschulen hin zu Unfallversicherungsträgern.
Potenziell erhöhter organisatorischer und finanzieller Aufwand für Unternehmen durch zusätzlichen Qualifizierungsbedarf.
Anpassungen im Bereich der digitalen Betreuung:
Die Neufassung der DGUV Vorschrift 2 integriert explizite Regelungen zur Nutzung digitaler Betreuungsmethoden:
Grundsätzlich bleibt Präsenzbetreuung der Regelfall, es sind jedoch klare Möglichkeiten zur digitalen Betreuung geschaffen worden.
Digitale Betreuung ist nun generell bis zu einem Drittel der gesamten Leistungen zulässig.
Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Erstbegehung, genaue Kenntnis der betrieblichen Gegebenheiten, ausreichende technische Ausstattung) darf der Anteil digitaler Betreuung auf maximal 50 % erhöht werden.
Relevante Auswirkungen in der Praxis:
Klare Rahmenbedingungen für digitale Betreuung schaffen Rechtssicherheit.
Potenzielle Entlastung durch flexiblere Betreuungsformen.
Die Digitalisierung der Arbeitsschutzbetreuung wird erheblich vorangetrieben.
Geänderte Betreuungsmodelle und deren Voraussetzungen:
Die Neufassung ändert zudem die Schwellenwerte und Modelle der Betreuung:
Die Grenze zwischen kleiner und großer Regelbetreuung wurde von bisher 10 auf nun 20 Beschäftigte angehoben.
Alternative Betreuungsmodelle („Unternehmermodell“) bleiben erhalten und sind weiterhin bis maximal 50 Beschäftigte möglich, jedoch wurden diese Modelle nun explizit um digitale Lösungen erweitert.
Zusätzliche Anforderungen zur Teilnahme an Informations-, Motivations- und Fortbildungsmaßnahmen wurden konkretisiert und verschärft.
Relevante Auswirkungen in der Praxis:
Erweiterte Flexibilität und Anpassung an die realen Gegebenheiten vieler Betriebe.
Erhöhung der Anforderungen an Betriebe, die alternative Betreuungsmodelle wählen.
Potenzielle organisatorische Veränderungen durch die stärkere Integration digitaler Instrumente.
Diese Änderungen sind als tiefgreifender Eingriff in die Praxis der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung zu bewerten und müssen im weiteren Verlauf auch hinsichtlich ihrer Rechtssicherheit, Praktikabilität und möglicher wirtschaftlicher Folgen sorgfältig geprüft werden.
Kritische Bewertung des neuen Lernfeldes 6 in der DGUV Vorschrift 2 (2024)
Mit der neuen DGUV Vorschrift 2 (Stand 2024) wurde eine zusätzliche Qualifikationsanforderung für Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) eingeführt: das sogenannte „Lernfeld 6“, eine verpflichtende, branchenspezifische Zusatzausbildung ausschließlich bei den Unfallversicherungsträgern (UVT).
Fachliche Sicht: Fragwürdig erscheint, warum ein kurzer UVT-Lehrgang fachlich höherwertig sein soll als eine umfassende akademische Ausbildung im Bereich Sicherheitsingenieurwesen.
Juristische Sicht: Diese Neuregelung könnte eine rechtlich bedenkliche Einschränkung der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) darstellen, da sie die akademische Qualifikation praktisch abwertet und zugleich ein Ausbildungsmonopol für die UVT schafft.
Empfehlung: Eine rechtliche und praktische Prüfung dieser Regelung ist dringend angezeigt. Der Gesetzgeber sollte gegebenenfalls eingreifen, um die freie Berufsausübung, den Wettbewerb und die Anerkennung hochwertiger akademischer Abschlüsse zu schützen. Branchenspezifische Zusatzkurse könnten optional oder als Fortbildung sinnvoll sein – jedoch nicht ausschließlich durch die UVT angeboten.
4. Rechtliche Bewertung der neuen DGUV Vorschrift 2 (2024)
Die Neufassung der DGUV Vorschrift 2 (Stand 2024) bringt umfangreiche Änderungen mit sich, deren rechtliche Zulässigkeit im Folgenden genauer betrachtet werden soll.
4.1 Verfassungsrechtliche Prüfung
Berufsfreiheit (Artikel 12 Grundgesetz, GG):
Prüfung auf Vereinbarkeit der zusätzlichen Anforderungen („Lernfeld 6“) mit Art. 12 GG:
Artikel 12 GG garantiert jedem Bürger das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben. Eine Einschränkung dieser Berufsfreiheit ist nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig, erforderlich und geeignet ist, ein legitimes öffentliches Ziel zu erreichen.
Legitimes Ziel? Die DGUV begründet die Einführung des neuen Lernfeldes 6 mit der Notwendigkeit, branchenspezifische Fachkenntnisse bei Fachkräften für Arbeitssicherheit (SiFa) sicherzustellen. Grundsätzlich könnte dies ein legitimes Ziel sein, nämlich die Verbesserung der Qualität des betrieblichen Arbeitsschutzes.
Geeignetheit? Fraglich ist, ob ein verpflichtendes Lernfeld 6 bei Unfallversicherungsträgern (UVT) qualitativ tatsächlich geeignet ist, das bereits durch akademische Ausbildungen (z. B. Sicherheitsingenieurwesen) vorhandene Niveau noch einmal deutlich zu erhöhen.
Erforderlichkeit? Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob das Ziel branchenspezifischer Qualifikation nicht auch weniger einschneidend erreicht werden könnte, etwa durch freiwillige Fortbildungen oder Angebote anderer Bildungsträger. Die zwingende Exklusivität (nur UVT) erscheint jedenfalls bedenklich.
Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit)? Die neue Regelung könnte unverhältnismäßig sein, da sie bestehende akademische Qualifikationen faktisch entwertet und gleichzeitig ein Ausbildungsmonopol der UVT schafft. Der Eingriff ist zudem wirtschaftlich belastend für Unternehmen und könnte qualifizierte Personen abschrecken.
Bewertung: Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der verpflichtenden Zusatzqualifikation (Lernfeld 6). Die Regelung könnte somit gegen Art. 12 GG verstoßen.
Freiheit von Forschung und Lehre (Artikel 5 Abs. 3 GG):
Prüfung, ob die Neuregelung in die Hochschulautonomie eingreift:
Artikel 5 Abs. 3 GG garantiert Hochschulen die Freiheit in Forschung und Lehre. Diese Hochschulautonomie umfasst insbesondere die Freiheit, Inhalte und Anforderungen von Studiengängen eigenständig festzulegen.
Die neue DGUV Vorschrift 2 verlangt von Hochschulabsolventen im Bereich Sicherheitsingenieurwesen trotz abgeschlossenem Studium zusätzlich einen verpflichtenden branchenspezifischen UVT-Lehrgang. Dies könnte als Eingriff in die Hochschulautonomie interpretiert werden, da der Hochschulabschluss hierdurch nicht mehr uneingeschränkt anerkannt wird und die inhaltliche Hoheit über die Qualifikation faktisch eingeschränkt wird.
Juristische Bewertung der Zulässigkeit:
Kriterium
Bewertung
Legitimes Ziel der Regelung?
Ja, Verbesserung des Arbeitsschutzes
Eingriff in Hochschulautonomie?
Ja, Hochschulabschlüsse verlieren an formaler Anerkennung
Verhältnismäßigkeit?
Zweifelhaft, da erheblicher Eingriff in Hochschulhoheit und akademische Qualifikation
Alternativen vorhanden?
Ja, freiwillige branchenspezifische Fortbildung wäre weniger eingreifend
Fazit: Die Regelung könnte tatsächlich einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre darstellen, weshalb eine gerichtliche Überprüfung durchaus denkbar wäre.
4.2 Prüfung der Ermächtigungsgrundlage
Gemäß Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und Sozialgesetzbuch (SGB) VII regeln Unfallversicherungsträger verbindlich die Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten. Jedoch muss jede Regelung der Unfallversicherungsträger (UVT) innerhalb des rechtlichen Rahmens dieser Gesetze bleiben.
Die entscheidende Frage hierbei ist, ob die Verpflichtung zu einem zusätzlichen UVT-Lehrgang (Lernfeld 6) tatsächlich im ASiG oder SGB VII hinreichend gedeckt ist:
Das ASiG fordert allgemein ausreichende Fachkunde (§ 4 ASiG), spezifiziert aber nicht ausdrücklich, dass eine akademische Ausbildung allein nicht mehr ausreichen könnte.
Die neue DGUV Vorschrift 2 verlangt nun explizit die branchenspezifische Zusatzqualifikation ausschließlich über die UVT.
Bewertung der Zulässigkeit der Ermächtigungsgrundlage:
Es bestehen berechtigte Zweifel, ob der Gesetzgeber bei Erlass des ASiG diese Form einer verpflichtenden, ausschließlichen UVT-Qualifikation tatsächlich vorgesehen hat. Ein solches Ausbildungsmonopol könnte daher die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage überschreiten.
4.3 Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Die Einführung der neuen DGUV Vorschrift 2 bringt auch arbeitsrechtlich relevante Fragen mit sich, insbesondere bezüglich bestehender Arbeitsverhältnisse:
Bestandsschutz: Bereits qualifizierte und bestellte Fachkräfte genießen Bestandsschutz. Sie müssen die neuen Anforderungen nicht nachträglich erfüllen. Neue Fachkräfte hingegen müssen die zusätzliche Qualifikation erwerben.
Folgen bei Nichterfüllung: Falls ein Arbeitgeber Fachkräfte ohne die vorgeschriebene Qualifikation bestellt, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (Bußgelder, Beanstandungen durch Aufsichtsbehörden). Arbeitgeber müssen also genau prüfen, ob neu eingestellte SiFa die neuen Anforderungen erfüllen.
Tabelle: Praktische Folgen für Arbeitgeber bei Nichterfüllung neuer Anforderungen
Situation
Folge
Bestellung einer SiFa ohne Lernfeld 6 (nach 2024)
rechtliche Beanstandungen, ggf. Bußgelder
Bestandsschutz bestehender SiFa (Bestellung vor 2024)
keine neuen Anforderungen, keine Folgen
Fazit der rechtlichen Bewertung:
Die neue DGUV Vorschrift 2 (2024) bringt rechtlich äußerst kritische Aspekte mit sich:
Die zusätzlichen Anforderungen (Lernfeld 6) greifen erheblich in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und in die Hochschulautonomie (Art. 5 Abs. 3 GG) ein.
Ob diese Eingriffe gerechtfertigt und verhältnismäßig sind, erscheint fraglich.
Die Ermächtigungsgrundlage im ASiG könnte überschritten worden sein.
Arbeitsrechtlich entstehen zusätzliche Anforderungen, die Arbeitgeber bei der Bestellung neuer Fachkräfte unbedingt berücksichtigen müssen.
Eine juristische Klärung und gegebenenfalls Korrektur durch Gesetzgeber oder Gerichte erscheint erforderlich, um Rechtssicherheit für Unternehmen und Fachkräfte zu schaffen.
5. Praxisrelevante Auswirkungen für Sicherheitsfachkräfte (SiFa)
Donato Muro LL.M.
Die Neuregelung der DGUV Vorschrift 2 (2024) verändert maßgeblich die Anforderungen an die Qualifikation von Fachkräften für Arbeitssicherheit. Nachfolgend eine fachlich fundierte Betrachtung der Vor- und Nachteile sowie eine direkte Gegenüberstellung relevanter Praxis-Auswirkungen:
5.1 Vor- und Nachteile für Sicherheitsfachkräfte
Erhöhtes Qualifikationsniveau oder unnötige Doppelbelastung?
Die neue DGUV Vorschrift 2 fordert von Fachkräften für Arbeitssicherheit (SiFa) neben der bisherigen Qualifikation (z. B. Ingenieur, Techniker, Meister plus UVT-Ausbildung) zusätzlich ein obligatorisches, branchenspezifisches Lernfeld (Lernfeld 6) bei den Unfallversicherungsträgern (UVT).
Vorteile:
Spezifischere Branchenkenntnisse, die gezielt auf die Anforderungen einzelner Branchen ausgerichtet sind.
Einheitlicher Mindeststandard könnte insgesamt zur Steigerung der Qualität in der Praxis führen.
Die gezielte Vertiefung branchenspezifischer Risiken kann Sicherheit und Gesundheitsschutz in Betrieben weiter verbessern.
Nachteile (kritische Betrachtung):
Akademische Sicherheitsingenieure, die bereits umfassende Studiengänge absolviert haben, müssen nun zusätzlich eine branchenspezifische UVT-Qualifikation erwerben. Dies könnte eine unnötige Doppelbelastung bedeuten, da viele der geforderten Inhalte möglicherweise bereits im Studium vermittelt wurden.
Die Verpflichtung zu einer zusätzlichen Qualifikation bringt zeitlichen und finanziellen Zusatzaufwand mit sich. Dies gilt insbesondere dann, wenn Lehrgänge nur eingeschränkt verfügbar sind und sich dadurch Wartezeiten ergeben könnten.
Durch die alleinige Zuständigkeit der UVT entsteht ein Monopol. Das könnte dazu führen, dass andere qualifizierte Anbieter und Hochschulen vom Markt der branchenspezifischen Weiterbildung ausgeschlossen werden.
Kritische Betrachtung der Verfügbarkeit und Kapazität der UVT für Lernfeld 6
Die neuen Regelungen erfordern von den Unfallversicherungsträgern eine ausreichende Kapazität zur Durchführung des verpflichtenden Lernfeldes 6. Aktuell besteht jedoch Unklarheit, ob die UVT tatsächlich über ausreichende personelle und organisatorische Ressourcen verfügen, um alle betroffenen SiFa zeitnah zu schulen.
In der Praxis könnte dies zu erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten führen:
Lange Wartezeiten für SiFa bis zur Absolvierung des erforderlichen Lehrgangs.
Probleme bei der schnellen Bestellung neuer Fachkräfte aufgrund fehlender Lehrgangskapazitäten.
Zusätzlicher organisatorischer und finanzieller Aufwand für Unternehmen und Sicherheitsfachkräfte.
Vergleich akademische Ausbildung vs. UVT-Lehrgänge
Die neue DGUV Vorschrift 2 (2024) bringt erhebliche praktische Herausforderungen mit sich:
Die zusätzlichen Qualifikationsanforderungen schaffen eine unnötige Doppelbelastung für bereits gut qualifizierte Fachkräfte.
Durch die verpflichtende Durchführung bei den UVT entsteht ein Ausbildungsmonopol, was zu erheblichen Kapazitätsproblemen und Verzögerungen in der Bestellung neuer Fachkräfte führen könnte.
Die Neuregelung schwächt faktisch die akademischen Qualifikationen ab und könnte langfristig zu einem Kompetenzverlust führen, der sich negativ auf den Arbeitsschutz auswirken könnte.
Eine kritische Betrachtung der Regelung lässt somit erhebliche Zweifel aufkommen, ob die neue Vorschrift tatsächlich praxisnah, effektiv und sinnvoll ausgestaltet wurde, oder ob sie vielmehr unnötige organisatorische Hürden und Einschränkungen schafft, die letztlich der Qualität und Effizienz im betrieblichen Arbeitsschutz sogar entgegenstehen könnten.
6. Praxisrelevante Auswirkungen für Unternehmer
Die Neuregelung der DGUV Vorschrift 2 (2024) führt für Unternehmer zu erheblichen Veränderungen im praktischen und organisatorischen Bereich. Nachfolgend eine fachlich korrekte und praxisbezogene Analyse der Vor- und Nachteile aus Unternehmersicht.
6.1 Vor- und Nachteile aus Unternehmersicht
Zusätzlicher Aufwand durch erweiterte Qualifikationsanforderungen
Mit Einführung des neuen, branchenspezifischen Lernfeldes 6 (LF 6) wird die Bestellung qualifizierter Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) erschwert:
Unternehmer müssen sicherstellen, dass Fachkräfte für Arbeitssicherheit künftig zwingend über die neue zusätzliche Qualifikation („Lernfeld 6“) verfügen.
Daraus ergeben sich höhere Kosten (Lehrgangsgebühren, Reisekosten, ggf. Freistellung von Mitarbeitern) sowie ein organisatorischer Mehraufwand (Terminierung, Planung und Integration der neuen Vorgaben in bestehende Abläufe).
Betriebe müssen gegebenenfalls länger auf qualifizierte Fachkräfte warten, da diese nun zusätzliche Kurse absolvieren müssen.
Rechtliche und finanzielle Risiken durch neue Regelungen
Die neu eingeführte Pflicht zum Lernfeld 6 erhöht das Risiko rechtlicher Beanstandungen für Arbeitgeber:
Wird eine Fachkraft ohne die vollständige Qualifikation bestellt, drohen rechtliche Konsequenzen wie Bußgelder oder Beanstandungen durch die Aufsichtsbehörden.
Arbeitgeber tragen die Verantwortung, vor Bestellung einer neuen SiFa zu prüfen, ob diese die erweiterten Anforderungen erfüllt.
Durch eine begrenzte Verfügbarkeit der Lehrgänge kann es zu Verzögerungen und somit möglicherweise zu temporären rechtlichen Unsicherheiten für Unternehmer kommen.
Mögliche Engpässe in der Bestellung qualifizierter Fachkräfte
Ein zentrales praktisches Risiko der neuen Vorschrift betrifft die potenziellen Engpässe bei der Bestellung neuer Fachkräfte für Arbeitssicherheit:
Aufgrund der Verpflichtung, den branchenspezifischen Qualifizierungslehrgang nur bei den Unfallversicherungsträgern (UVT) zu absolvieren, können längere Wartezeiten entstehen.
Es ist unklar, ob die Kapazitäten der UVT für alle Betriebe ausreichend sind, was potenziell zu Engpässen führen könnte.
In der Konsequenz könnten Unternehmen möglicherweise Schwierigkeiten haben, ihren gesetzlichen Verpflichtungen zeitgerecht nachzukommen.
6.2 Tabelle 3: Gegenüberstellung praktischer Auswirkungen für Unternehmer (alt vs. neu)
Aspekte
Bisherige Regelung (alt, 2012)
Neue Regelung (2024)
Unternehmer-Auswirkung
Umfang der SiFa-Betreuung
Moderat; bisherige akademische Qualifikation und praktische Erfahrung genügen.
Erhöht durch neue Anforderungen: Zusätzliche branchenspezifische Qualifikation (Lernfeld 6).
Erhöhter finanzieller, zeitlicher und organisatorischer Aufwand für Unternehmer.
Eingeschränkt; keine expliziten Vorgaben zur digitalen Betreuung.
Erweiterte Nutzung explizit erlaubt (bis zu 1/3 regulär, max. 50% unter bestimmten Bedingungen).
Verbesserung durch mehr Flexibilität, jedoch strenge Vorgaben und notwendige technische Voraussetzungen.
Fazit der praktischen Auswirkungen auf Unternehmer:
Die neue DGUV Vorschrift 2 (2024) bedeutet für Unternehmer nicht nur einen erheblichen zusätzlichen Qualifikations- und Verwaltungsaufwand, sondern birgt gleichzeitig das Risiko, bei Nichterfüllung der neuen Anforderungen rechtlich belangt zu werden. Die verpflichtende branchenspezifische Zusatzqualifikation („Lernfeld 6“) könnte zudem zu erheblichen Verzögerungen bei der Bestellung neuer Sicherheitsfachkräfte führen, was wiederum in der Praxis rechtliche und wirtschaftliche Unsicherheit schafft. Gleichzeitig bietet die klarere Regelung zur Nutzung digitaler Betreuung jedoch auch die Chance, den Arbeitsschutz flexibler zu gestalten. Insgesamt überwiegen aus Unternehmersicht jedoch derzeit die zusätzlichen Belastungen, Risiken und organisatorischen Herausforderungen gegenüber den Vorteilen.
7. Kritische Würdigung und Empfehlungen
Zum Abschluss der Betrachtungen der neuen DGUV Vorschrift 2 (2024) sollen hier die zentralen Kritikpunkte nochmals kompakt zusammengefasst und klare Empfehlungen für eine praxisnahe und rechtssichere Neuregelung ausgesprochen werden.
Zusammenfassung der zentralen Kritikpunkte
1. Verfassungsrechtliche Bedenken
Die verpflichtende Einführung des neuen branchenspezifischen Lernfeldes 6 stellt einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und möglicherweise auch in die Hochschulautonomie (Art. 5 Abs. 3 GG) dar. Diese Eingriffe erscheinen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit äußerst fraglich:
Die zusätzliche UVT-Qualifikation ist gegenüber einem akademischen Abschluss möglicherweise nicht notwendig und verhältnismäßig.
Das Monopol der UVT für diese Qualifikation könnte die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Berufsausübung unverhältnismäßig einschränken.
2. Praxisferne der neuen Regelungen
Die Neuregelungen verursachen in der betrieblichen Praxis erhebliche Herausforderungen und könnten somit an den realen Bedürfnissen der Unternehmen vorbeigehen:
Zusätzliche organisatorische und finanzielle Belastung für Arbeitgeber durch die Pflicht zur branchenspezifischen UVT-Qualifikation.
Verzögerungen bei der Bestellung neuer Fachkräfte durch begrenzte Kapazitäten der UVT könnten die zeitnahe Erfüllung gesetzlicher Anforderungen gefährden.
Die generelle Anhebung der Anforderungen ohne ausreichende Kapazitäten der UVT ist aus Sicht vieler Unternehmen und Fachkräfte praxisfern.
3. Mögliche Stärkung der Monopolstellung der UVT
Die ausschließliche Kompetenz der UVT, das verpflichtende Lernfeld 6 anzubieten, schafft ein faktisches Ausbildungsmonopol:
Wettbewerb und Pluralismus in der Aus- und Weiterbildung im Bereich Arbeitsschutz werden stark eingeschränkt.
Hochschulen und private Bildungsträger verlieren in diesem Bereich faktisch an Bedeutung, was langfristig die Qualität der Ausbildung und Weiterbildung beeinträchtigen könnte.
Überprüfung der Frage: „Hat die DGUV gute Arbeit geleistet?“
Ausgehend von den hier betrachteten Punkten zeigt sich, dass die DGUV Vorschrift 2 in ihrer aktuellen Neufassung (2024) trotz sicherlich guter Intentionen erhebliche Mängel aufweist:
Fachlich: Die Einführung eines zusätzlichen branchenspezifischen UVT-Lehrgangs (Lernfeld 6) stellt die akademische Qualifikation von Sicherheitsingenieuren unnötig in Frage und führt zu einer Doppelbelastung ohne klar nachgewiesenen Mehrwert.
Rechtlich: Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art. 5 Abs. 3 GG (Hochschulautonomie) bestehen ernsthaft. Diese rechtlichen Risiken hätten im Vorfeld der Neufassung gründlicher geprüft werden müssen.
Organisatorisch: Die begrenzten Kapazitäten der UVT, die erhöhte Belastung der Arbeitgeber und die daraus resultierenden Engpässe verdeutlichen einen erheblichen Mangel an Praxisnähe und eine Unterschätzung der organisatorischen Realität der Unternehmen.
Insgesamt ist daher kritisch zu hinterfragen, ob die DGUV mit dieser Neuregelung tatsächlich „gute Arbeit“ im Sinne eines wirksamen und praxistauglichen Arbeitsschutzes geleistet hat.
Klare Empfehlungen für eine praxisnahe und rechtssichere Neuregelung
Um die hier aufgezeigten Probleme zu lösen und die DGUV Vorschrift 2 wieder praxisnah und rechtssicher zu gestalten, sollten die folgenden Empfehlungen umgesetzt werden:
Bereich
Problem der aktuellen Regelung
Empfehlung für eine praxistaugliche Neuregelung
Qualifikationsanforderungen SiFa
Verpflichtendes Lernfeld 6 bei UVT (Monopol) erschwert Zugang und Anerkennung akademischer Qualifikationen
Freiwillige branchenspezifische Qualifizierung, Anerkennung anderer Anbieter und Hochschulabschlüsse, Vermeidung von Monopolen
Verfassungsrechtliche Vereinbarkeit
Risiko eines Verstoßes gegen Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art. 5 Abs. 3 GG (Hochschulautonomie)
Klare rechtliche Prüfung und ggf. Korrektur, Verzicht auf verpflichtendes UVT-Monopol, Anerkennung bestehender akademischer Abschlüsse
Digitale Betreuung
Strenge Vorgaben, noch relativ limitierte Nutzung
Ausbau digitaler Betreuung bei Sicherstellung des Schutzniveaus, flexible und praxisnahe Vorgaben, Nutzung etablierter digitaler Lösungen
Übergangsregelungen
Bestandsschutz vorhanden, aber unklare Regelungen für neue Verträge und Übergangsfristen
Klarstellung und großzügige Übergangsfristen für Unternehmen und SiFa, umfassende Information und Beratung durch UVT
Kapazitäten und Verfügbarkeit der UVT-Lehrgänge
Mögliche Engpässe durch begrenzte UVT-Kapazitäten für Lernfeld 6
Erweiterung der zugelassenen Bildungsträger, Kooperation mit Hochschulen und privaten Anbietern, Aufbau ausreichender Kapazitäten
Abschließende Bewertung:
Die kritischen Aspekte der neuen DGUV Vorschrift 2 sind deutlich und substanziell. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedenken, der Praxisferne sowie der Gefahr eines UVT-Monopols erscheint eine zeitnahe Korrektur der Regelungen geboten. Ziel einer überarbeiteten Vorschrift sollte es sein, fachliche Qualität sicherzustellen, zugleich aber auch die bewährten akademischen Abschlüsse anzuerkennen, Wettbewerb bei der Aus- und Weiterbildung zu gewährleisten und für Unternehmer und Fachkräfte eine praxistaugliche Umsetzung sicherzustellen.
Eine klare Handlungsempfehlung an die verantwortlichen Stellen (Gesetzgeber, DGUV, UVT) lautet daher, die neuen Regelungen kritisch zu prüfen und möglichst kurzfristig eine praxistaugliche und verfassungsrechtlich unbedenkliche Anpassung vorzunehmen.
8. Fazit
Abschließende Beurteilung:
Die Neufassung der DGUV Vorschrift 2 (2024) verfolgt das grundsätzlich legitime Ziel, durch eine verpflichtende branchenspezifische Zusatzqualifikation („Lernfeld 6“) die Qualität und Sicherheit in der betrieblichen Arbeitsschutzberatung zu verbessern. Eine eingehende fachliche und juristische Analyse zeigt jedoch, dass diese Neuregelung erhebliche Probleme und Bedenken aufwirft:
Bewertungskriterium
Ergebnis der Prüfung
Fachliche Notwendigkeit der Zusatzqualifikation
Fraglich. Akademische Abschlüsse (z. B. Sicherheitsingenieure) bieten umfassende und tiefergehende Kompetenzen als kurze UVT-Kurse.
Verhältnismäßigkeit (Art. 12 GG – Berufsfreiheit)
Bedenklich. Verpflichtende UVT-Lehrgänge stellen einen erheblichen Eingriff dar, der möglicherweise unverhältnismäßig ist, da mildere Alternativen bestehen.
Eingriff in die Hochschulautonomie (Art. 5 Abs. 3 GG)
Wahrscheinlich gegeben. Der zusätzliche Zwang zur UVT-Qualifikation beschneidet faktisch die Hochschulen in ihrer Kompetenz zur eigenständigen Ausgestaltung der Studiengänge.
Zweifelhafte Grundlage. §§ 7, 15 und 18 ASiG sehen zwar Qualifikationsanforderungen und Ausnahmen vor, rechtfertigen aber nicht klar die Einführung eines Ausbildungsmonopols der UVT.
Praktische Auswirkungen auf Unternehmen und SiFa
Problematisch. Erhöhte Kosten, längere Wartezeiten und organisatorische Schwierigkeiten aufgrund eingeschränkter Kapazitäten der UVT.
Insgesamt ergibt sich ein kritisches Bild der neuen DGUV Vorschrift 2: Die Regelung schafft nicht nur erheblichen organisatorischen und finanziellen Zusatzaufwand, sondern sie könnte sogar rechtlich angreifbar sein. Statt der gewünschten Qualitätssteigerung könnten unnötige bürokratische und rechtliche Hürden entstehen, die Betriebe und Sicherheitsfachkräfte belasten und deren praktische Arbeit erschweren.
Ausblick und Forderungen zur weiteren rechtlichen und organisatorischen Entwicklung:
Vor dem Hintergrund der dargestellten Kritikpunkte ist dringend zu empfehlen, die aktuelle Fassung der DGUV Vorschrift 2 rechtlich und organisatorisch einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen und zügig zu überarbeiten.
Folgende Forderungen und Empfehlungen für eine praxistaugliche und rechtssichere Neuregelung sind dabei zentral:
1. Klarstellung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (§ 15 ASiG)
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sollte mit Zustimmung des Bundesrates prüfen, ob die vorliegende neue DGUV Vorschrift 2 im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung durch § 15 ASiG bleibt oder ob eine Konkretisierung erforderlich ist.
Gegebenenfalls Anpassung und Klarstellung des ASiG zur Vermeidung rechtlicher Unklarheiten.
2. Überprüfung und Anpassung des verpflichtenden Lernfeldes 6
Umwandlung des Lernfeldes 6 von einer verpflichtenden Maßnahme in eine freiwillige Fortbildungsempfehlung.
Anerkennung akademischer Abschlüsse (insbesondere Sicherheitsingenieure) als grundsätzlich ausreichend, um unnötige Doppelqualifikationen zu vermeiden.
3. Öffnung und Vermeidung von Monopolbildung bei der Qualifikation
Zulassung weiterer Bildungsträger (Hochschulen, private Anbieter) für die Durchführung branchenspezifischer Qualifikationen, um Wettbewerb und Qualität zu fördern und Engpässe zu vermeiden.
4. Anpassung und Verbesserung der digitalen Betreuungsmöglichkeiten
Weiterentwicklung der digitalen Betreuung mit flexibleren, weniger restriktiven Vorgaben, um Arbeitgebern und Sicherheitsfachkräften effiziente, praxistaugliche Lösungen zu ermöglichen.
5. Erweiterung und Sicherstellung ausreichender Kapazitäten der UVT
Sicherstellung ausreichender organisatorischer und personeller Ressourcen bei den UVT, falls bestimmte branchenspezifische Lehrgänge zwingend erforderlich bleiben sollten.
Abschließende Forderung und Fazit:
Die Neufassung der DGUV Vorschrift 2 ist in ihrer derzeitigen Form aus fachlicher, rechtlicher und praktischer Perspektive äußerst kritisch zu bewerten. Statt der gewünschten Verbesserung könnte sie neue Probleme schaffen. Der Gesetzgeber und die zuständigen Stellen (DGUV, UVT) sollten daher zeitnah handeln, um die dargestellten Probleme zu lösen und eine rechtssichere, praxisorientierte und qualitativ hochwertige Betreuung im betrieblichen Arbeitsschutz zu gewährleisten.
Nur so lässt sich sicherstellen, dass die DGUV Vorschrift 2 ihrem ursprünglichen Ziel – mehr Sicherheit und Qualität im Arbeitsschutz – tatsächlich gerecht wird.
Abschließender Hinweis:
Diese Darstellung und Bewertung basiert ausschließlich auf den Originaltexten der DGUV Vorschrift 2 (alt und neu), dem ASiG, SGB VII sowie dem Grundgesetz. Für eine abschließende, rechtlich verbindliche Bewertung oder konkrete juristische Fragestellungen empfiehlt es sich, die Originalquellen selbst zu konsultieren oder eine individuelle juristische Beratung einzuholen.
Donato Muro, Jurist (LL.M. Compliance and Corporate Security)
Die Messung des elektrischen Widerstands bei Bodenbelägen ist ein entscheidender Faktor für die Sicherheit am Arbeitsplatz, insbesondere dort, wo elektrostatische Entladungen oder explosionsfähige Atmosphären auftreten können. Der elektrische Widerstand gibt dabei an, wie stark ein Material den Stromfluss behindert oder zulässt. Ein niedriger elektrischer Widerstand ermöglicht eine rasche Ableitung elektrostatischer Aufladungen und trägt somit entscheidend dazu bei, Gefahren wie unkontrollierte Entladungen, Funkenbildung oder sogar Explosionen zu vermeiden.
Im Arbeitsschutz spielt dies besonders in Bereichen mit empfindlichen elektronischen Bauteilen oder brennbaren Gasen, Dämpfen und Stäuben eine zentrale Rolle. Gerade in explosionsgefährdeten Bereichen gemäß ATEX-Richtlinien (z. B. Chemie-, Pharma- oder Lebensmittelindustrie) sind exakte Widerstandsmessungen unverzichtbar, um sowohl die Mitarbeiter als auch die technischen Anlagen zuverlässig zu schützen.
Dieser Artikel richtet sich an Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) und Elektrofachkräfte (EFK), die für sichere Arbeitsbedingungen und den rechtskonformen Betrieb elektrischer Anlagen verantwortlich sind. Er gibt praxisnahe Informationen darüber, warum solche Messungen notwendig sind, was dabei zu beachten ist, und wie Sie damit Ihre Verantwortung im Arbeitsschutz und Explosionsschutz professionell erfüllen können.
1. Warum elektrische Widerstandsmessungen bei Bodenbelägen wichtig sind
Elektrische Widerstandsmessungen bei Bodenbelägen haben eine zentrale Bedeutung für die Sicherheit am Arbeitsplatz. Ein zu hoher elektrischer Widerstand des Bodenbelags erhöht das Risiko elektrostatischer Aufladungen. Kommt es zu einer spontanen Entladung dieser Aufladung, entstehen Funken, die insbesondere in explosionsgefährdeten Bereichen katastrophale Folgen haben können. Zudem besteht bei Personen die Gefahr schmerzhafter Stromschläge, die wiederum zu Unfällen oder Verletzungen führen.
Neben dem Personenschutz spielt der elektrische Widerstand auch für den Geräteschutz eine entscheidende Rolle. Empfindliche elektronische Bauteile oder Steuerungen, beispielsweise in Produktionsanlagen, können durch elektrostatische Entladungen dauerhaft beschädigt werden. Der wirtschaftliche Schaden durch Produktionsausfälle oder Reparaturen kann dabei erheblich sein.
Im Hinblick auf den Brandschutz ist es ebenfalls wichtig, elektrostatische Entladungen zu vermeiden, da sie unter Umständen ausreichen, um brennbare Stoffe oder Dämpfe zu entzünden. In explosionsgefährdeten Bereichen gemäß der ATEX-Richtlinie (z. B. Chemie-, Pharma- oder Lebensmittelindustrie) kommt der Messung des elektrischen Widerstands daher eine noch größere Bedeutung zu: Ein niedriger Widerstand gewährleistet eine sichere und schnelle Ableitung von elektrostatischen Ladungen und minimiert somit Explosions- und Brandgefahren nachhaltig.
Die regelmäßige und fachgerechte Widerstandsmessung nach den Vorgaben der Norm DIN EN 1081 gewährleistet somit nicht nur die Sicherheit von Mitarbeitern und Anlagen, sondern stellt auch eine grundlegende Voraussetzung dar, um Arbeitsschutz- und Explosionsschutzvorschriften zuverlässig einzuhalten.
2. Wer benötigt diese Widerstandsmessungen konkret?
Die regelmäßige und fachgerechte Messung des elektrischen Widerstands von Bodenbelägen ist insbesondere für Unternehmen von großer Bedeutung, die mit sensiblen elektronischen Geräten arbeiten. In diesen Bereichen – etwa in der Elektronikproduktion oder Mikroelektronik – können bereits kleinste elektrostatische Entladungen Bauteile zerstören, Produktionsprozesse stören und erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen.
Ein weiterer Anwendungsbereich sind Betriebe mit besonderen Anforderungen an den Explosionsschutz gemäß ATEX-Richtlinien, wie sie typischerweise in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie sowie in der Lebensmittelindustrie vorzufinden sind. Hier besteht ständig die Gefahr, dass entzündliche Gase, Dämpfe oder Stäube durch elektrostatische Funkenbildung entzündet werden und zu schwerwiegenden Unfällen führen können.
Ebenso relevant sind solche Messungen für Arbeitsplätze mit elektrostatischen Gefahren, sogenannte ESD-Schutzbereiche (Electrostatic Discharge). Diese sind nicht nur in der Elektronikfertigung, sondern auch in Laboratorien, Reinräumen oder bei der Herstellung hochwertiger Präzisionsprodukte zu finden.
Für Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) und Elektrofachkräfte (EFK) haben Widerstandsmessungen daher eine direkte Relevanz: sie sind verantwortlich für die sichere und gesetzeskonforme Gestaltung der Arbeitsplätze. Regelmäßige und dokumentierte Messungen gewährleisten nicht nur den Schutz der Mitarbeitenden und Anlagen, sondern sind auch wichtiger Bestandteil zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben und Normen. Durch eine sorgfältige und professionelle Durchführung dieser Messungen erfüllen SiFa und EFK ihre Sorgfaltspflichten und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur präventiven Arbeitssicherheit.
3. Anforderungen aus Sicht der Norm (DIN EN 1081)
Die DIN EN 1081 definiert klare Prüfkriterien zur Bestimmung des elektrischen Widerstands elastischer, laminierter und modularer mehrschichtiger Bodenbeläge. Ziel dieser Norm ist es, sichere elektrostatische Eigenschaften von Bodenbelägen messbar und vergleichbar zu machen. Die Norm unterscheidet zwischen drei grundlegenden Verfahren:
Vertikaler Widerstand (Verfahren A) Beim vertikalen Widerstand (R1) wird der elektrische Widerstand zwischen der Oberfläche des Bodenbelags und seiner Unterseite gemessen. Hierzu wird eine sogenannte Dreibein-Elektrode verwendet, die mit einer definierten Kraft (mindestens 300 N) auf die Oberfläche des Prüfstücks gepresst wird. Gemessen wird gegen eine leitfähige Unterlage (Basiselektrode). Dieses Verfahren gibt Aufschluss darüber, wie gut elektrostatische Ladungen durch den Belag hindurch abgeleitet werden können – eine grundlegende Eigenschaft zur Vermeidung von gefährlichen Entladungen.
Erdungswiderstand (Verfahren B) Der Erdungswiderstand (R2) beschreibt den elektrischen Widerstand zwischen der Oberfläche des bereits verlegten Bodenbelags und der Erdung. Auch hier kommt die Dreibein-Elektrode zum Einsatz. Messungen erfolgen nach festgelegten Wartezeiten (frühestens 48 Stunden nach dem Verlegen), unter kontrollierten Bedingungen, bei sauberer Oberfläche. Dieses Verfahren ist insbesondere dort relevant, wo sichere und schnelle Ableitung von elektrostatischen Aufladungen in das Erdpotenzial entscheidend ist – etwa in explosionsgefährdeten ATEX-Bereichen. Ein typisches Praxisbeispiel: In einem chemischen Betrieb muss regelmäßig geprüft werden, ob leitfähige Bodenbeläge zuverlässig mit dem Gebäudepotentialausgleich verbunden sind, um elektrostatische Aufladungen sicher abzuleiten.
Oberflächenwiderstand (Verfahren C) Der Oberflächenwiderstand (R3) bezeichnet den Widerstand zwischen zwei Punkten auf der Oberfläche des Bodenbelags. Die Messung erfolgt mittels zwei Dreibein-Elektroden, die in einem genau definierten Abstand von 100 mm auf der Oberfläche positioniert werden. Auch hierbei wird eine Kraft von mindestens 300 N auf jede Elektrode ausgeübt. Der Oberflächenwiderstand gibt an, wie gut Ladungen horizontal über die Oberfläche abgeleitet werden können. Dieses Verfahren ist besonders wichtig, wenn es um die Sicherstellung einer gleichmäßigen Ableitfähigkeit über größere Flächen geht – beispielsweise in ESD-Bereichen oder in Reinräumen.
Durch die Anwendung und Dokumentation dieser drei Prüfverfahren gemäß DIN EN 1081 erhalten Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) und Elektrofachkräfte (EFK) verlässliche Daten, um die elektrostatische Sicherheit von Bodenbelägen zu bewerten und ihre Einhaltung mit gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen. Regelmäßige und professionelle Widerstandsmessungen nach DIN EN 1081 sind somit elementarer Bestandteil eines umfassenden Arbeitsschutz- und Explosionsschutzkonzepts.
4. Das muss die Elektrofachkraft (EFK) bei der Messung beachten
Für Elektrofachkräfte (EFK), die elektrische Widerstandsmessungen bei Bodenbelägen durchführen, ist die gewissenhafte Vorbereitung und korrekte Durchführung entscheidend. Zunächst müssen alle Prüfmittel entsprechend den Anforderungen der DIN EN 1081 vorbereitet werden. Dazu gehört die Dreibein-Elektrode mit leitfähigen Gummifüßen, ein Widerstandsmessgerät mit geeigneten Messspannungen (10 V, 100 V und 500 V je nach Messbereich) sowie eine Vorrichtung, die sicherstellt, dass die vorgeschriebene Last von mindestens 300 N auf die Elektrode aufgebracht wird. Üblicherweise wird hierfür das Körpergewicht der messenden Person genutzt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die ordnungsgemäße Konditionierung und Reinigung der Prüfflächen und Prüfmittel: Die Prüfflächen sowie die Gummifüße der Elektroden sollten mit einer geeigneten Reinigungsflüssigkeit (z. B. Ethanol oder Isopropanol) gereinigt und vollständig getrocknet werden, bevor die Messungen erfolgen. Prüfstücke für Labormessungen müssen mindestens 48 Stunden unter kontrollierten Bedingungen (23 ± 2 °C, 50 ± 5 % relative Luftfeuchte) konditioniert werden.
Typische Fehlerquellen, die EFK vermeiden müssen, sind beispielsweise:
Falsche Messspannung: Es ist entscheidend, die Spannung passend zum Messbereich auszuwählen (10 V für Widerstände bis 10^6 Ω, 100 V zwischen 10^6 Ω und 10^11 Ω, und 500 V oberhalb von 10^11 Ω).
Ungenügende Last: Die erforderliche Belastung von mindestens 300 N auf die Elektrode muss unbedingt eingehalten werden, um valide Messergebnisse zu erzielen.
Unzureichende Wartezeiten: Die Widerstands- oder Stromwerte müssen 10 bis 15 Sekunden nach Einschalten der Messspannung stabil abgelesen werden. Kürzere oder längere Zeiten können die Messergebnisse verfälschen.
Unsachgemäße Elektrodenplatzierung: Die Dreibein-Elektroden müssen in korrektem Abstand (z. B. 100 mm bei Oberflächenwiderstand) auf der Prüfoberfläche positioniert werden.
Schließlich kommt der Dokumentation der Messergebnisse besondere Bedeutung zu. Ein korrekter Prüfbericht gemäß DIN EN 1081 enthält zwingend Angaben wie:
Vollständige Identifikation des geprüften Bodenbelags (Typ, Hersteller, Farbe, Referenznummer)
Durchschnitts-, Minimal- und Maximalwerte der Widerstandsmessungen (je nach Verfahren)
Hinweise auf Abweichungen von der Norm oder besondere Vorkommnisse bei der Prüfung
Identifikation des Prüfers, Datum sowie Unterschrift oder elektronische Bestätigung des Prüfberichts
Eine vollständige, transparente und normkonforme Dokumentation der Messergebnisse schützt die Elektrofachkraft und das Unternehmen gleichermaßen. Sie stellt sicher, dass die Prüfungen im Rahmen von Arbeitsschutz- und Explosionsschutzrichtlinien rechtssicher nachvollziehbar sind und trägt maßgeblich zur betrieblichen Sicherheit bei.
5. Besonderheiten im Explosionsschutz (ATEX)
Im Explosionsschutz nach ATEX kommt der Messung des elektrischen Widerstands eine besondere Bedeutung zu. Überall dort, wo explosionsfähige Atmosphären (z. B. durch brennbare Gase, Dämpfe oder Stäube) auftreten können, besteht ein hohes Risiko, dass elektrostatische Entladungen gefährliche Funken verursachen und somit Brände oder Explosionen auslösen. Daher ist es entscheidend, dass Bodenbeläge in diesen Bereichen zuverlässig elektrostatische Ladungen ableiten können.
Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (insbesondere die TRGS 727 „Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen“) verlangen ausdrücklich Maßnahmen zur sicheren Ableitung elektrostatischer Ladungen. Dazu gehört auch, Bodenbeläge regelmäßig nach DIN EN 1081 auf ihren elektrischen Widerstand zu überprüfen. Nur durch regelmäßige Messungen und deren vollständige Dokumentation kann nachgewiesen werden, dass elektrostatische Ladungen zuverlässig abgeführt werden und keine unkontrollierten Funkenbildungen entstehen.
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht dies aus der Praxis: In einem chemischen Produktionsbetrieb, in dem entzündliche Lösemittel verarbeitet werden, kam es regelmäßig zu elektrostatischen Entladungen bei bestimmten Arbeitsabläufen. Die Ursache lag letztlich im unzureichenden elektrischen Ableitwiderstand des Bodenbelags, der über die Jahre hinweg an Leitfähigkeit eingebüßt hatte. Erst durch gezielte Widerstandsmessungen konnte dieser Mangel erkannt und behoben werden. Der Austausch und die anschließende regelmäßige Überprüfung des neuen, ATEX-konformen Bodenbelags stellten sicher, dass elektrostatische Aufladungen zuverlässig abgeleitet werden. Dadurch konnte die Zündgefahr wirksam reduziert und die Sicherheit der Beschäftigten sowie der Anlage nachhaltig gewährleistet werden.
Dieses Beispiel verdeutlicht eindrucksvoll, wie essenziell regelmäßige Widerstandsmessungen von Bodenbelägen gerade in explosionsgefährdeten Bereichen sind – nicht nur als technisches Mittel zur Risikominderung, sondern auch als Nachweis der rechtlichen und organisatorischen Verantwortung im Rahmen des Arbeitsschutzes.
6. Checkliste für SiFa und EFK zur Messung von elektrischen Widerständen
Damit Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) und Elektrofachkräfte (EFK) die Widerstandsmessungen von Bodenbelägen nach DIN EN 1081 sicher und zuverlässig durchführen können, hilft die folgende praxisnahe Checkliste:
Vorbereitung der Messung:
✅ Prüfboden gründlich reinigen (z. B. mit Isopropanol oder Ethanol), anschließend vollständig trocknen lassen.
Vertikal (R1): Dreibein-Elektrode mittig auf Prüfmuster, leitfähige Unterlage anschließen.
Erdung (R2): Dreibein-Elektrode mit Erdpotential verbinden.
Oberfläche (R3): Zwei Elektroden im Abstand von exakt 100 mm platzieren.
✅ Gleichmäßige Last auf die Elektroden ausüben (z. B. Körpergewicht auf Elektrode verteilen).
✅ Messspannung einschalten, nach 10–15 Sekunden stabilisierten Wert ablesen und dokumentieren.
✅ Mindestens drei Messungen pro Prüffläche durchführen, um statistisch aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.
Dokumentation der Messergebnisse (Pflichtangaben im Prüfbericht):
✅ Angabe der Norm und des verwendeten Messverfahrens (DIN EN 1081, Verfahren A, B oder C).
✅ Vollständige Identifikation des geprüften Bodenbelags (Hersteller, Typ, Farbe, Charge).
✅ Klimabedingungen während der Prüfung (Temperatur, Luftfeuchtigkeit).
✅ Verwendete Messspannung.
✅ Einzelwerte sowie Durchschnitt, Maximal- und Minimalwerte.
✅ Datum der Prüfung, Name und Unterschrift der verantwortlichen Elektrofachkraft.
Diese übersichtliche und praxisorientierte Checkliste unterstützt SiFa und EFK bei der normgerechten und rechtssicheren Durchführung elektrischer Widerstandsmessungen und sorgt dafür, dass elektrostatische Risiken frühzeitig erkannt und beseitigt werden können.
7. Nutzen professioneller Unterstützung bei Widerstandsmessungen
Die Durchführung elektrischer Widerstandsmessungen bei Bodenbelägen stellt hohe Anforderungen an Fachwissen, Messgeräte und Dokumentation. Gerade in Unternehmen mit besonderen Anforderungen an Arbeitsschutz und Explosionsschutz empfiehlt es sich daher, auf eine professionelle, externe Unterstützung zu setzen.
Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Sie sparen wertvolle Zeit und Ressourcen, da speziell geschulte Experten mit zertifizierten und regelmäßig kalibrierten Messgeräten die notwendigen Prüfungen effizient und fachgerecht durchführen. Gleichzeitig profitieren Sie von einer lückenlosen und rechtssicheren Dokumentation, die im Rahmen behördlicher Kontrollen oder interner Audits zuverlässig Sicherheit bietet.
Wir verfügen über langjährige Erfahrung und umfassende Expertise im Bereich der elektrischen Prüfungen sowie im Explosionsschutz. Unsere Mitarbeiter sind speziell geschult und führen alle Messungen strikt gemäß DIN EN 1081 sowie den aktuellen ATEX- und Betriebssicherheitsanforderungen durch. Auf diese Weise unterstützen wir Sie effektiv, Ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen und Ihre Arbeitsplätze langfristig sicher zu gestalten.
Gerne beraten wir Sie unverbindlich zu unseren Leistungen rund um Widerstandsmessungen, Explosionsschutzprüfungen und weiteren elektrischen Sicherheitsprüfungen. Kontaktieren Sie uns jederzeit – wir freuen uns, Sie bei Ihren Herausforderungen zu unterstützen und gemeinsam für maximale Sicherheit zu sorgen.
Fazit
Elektrische Widerstandsmessungen bei Bodenbelägen sind ein unverzichtbarer Bestandteil wirksamer Arbeitsschutz- und Explosionsschutzmaßnahmen. Sie gewährleisten nicht nur den Schutz von Mitarbeitenden und technischen Anlagen, sondern helfen auch, schwerwiegende wirtschaftliche und rechtliche Folgen durch elektrostatische Entladungen und Explosionsgefahren wirksam zu vermeiden.
Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) und Elektrofachkräfte (EFK) tragen hierbei eine große Verantwortung. Regelmäßige und normkonforme Widerstandsmessungen gemäß DIN EN 1081 sind notwendig, um die Sicherheit und den Schutz vor elektrostatischen Risiken langfristig sicherzustellen.
Handeln Sie proaktiv und vorausschauend. Prüfen Sie regelmäßig, dokumentieren Sie sorgfältig, und ziehen Sie bei Bedarf externe Experten hinzu. Nutzen Sie gern unsere professionelle Unterstützung, um Ihre Sicherheitsanforderungen zuverlässig und rechtssicher umzusetzen. Wir freuen uns, gemeinsam mit Ihnen für eine sichere Arbeitsumgebung zu sorgen.
0. Schutz vor Zecken: Warum Aufmerksamkeit so wichtig ist
Zecken sind nicht einfach nur lästig, sondern bergen ernsthafte Gesundheitsrisiken. Gerade die beiden Krankheiten FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) und Borreliose stehen im Fokus, da sie durch Zeckenstiche übertragen werden und teils schwere Folgen haben können. FSME ist eine virale Infektion, die in schweren Fällen zu einer Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute führen kann – bleibende Schäden oder sogar lebensgefährliche Komplikationen sind möglich. Borreliose dagegen ist eine bakterielle Erkrankung, die unerkannt und unbehandelt zu langfristigen Gelenk- und Nervenschäden führen kann.
Diese Thematik ist besonders für Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) und Sicherheitsbeauftragte (SiBe) relevant. In Berufen mit viel Außenarbeit, wie Grünpflege, Forst- und Landwirtschaft oder Jagd, sind Mitarbeiter regelmäßig einem hohen Risiko durch Zeckenstiche ausgesetzt. Arbeitgeber müssen deshalb unbedingt präventive Maßnahmen ergreifen und ihre Beschäftigten umfassend über Gefahren und Schutzmöglichkeiten aufklären.
Doch nicht nur im beruflichen Kontext, auch im privaten Bereich ist das Thema wichtig: Eltern, die mit ihren Kindern im Garten, im Park oder beim Wandern unterwegs sind, sollten ebenfalls aufmerksam sein und geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen, denn gerade Kinder gehören zur Risikogruppe.
Die frühzeitige Sensibilisierung und Information aller Beteiligten – ob beruflich oder privat – ist deshalb entscheidend, um langfristig gesund zu bleiben und ernsthafte Erkrankungen durch Zeckenstiche effektiv zu verhindern.
1 Hintergrundwissen über Zecken: Kleine Tiere mit großer Gefahr
Zecken gehören zu den Spinnentieren und sind winzige Parasiten, die sich vom Blut ihrer Wirte ernähren. In Deutschland sind vor allem zwei Arten verbreitet: Der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) und die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus). Beide Arten durchlaufen mehrere Entwicklungsstadien – von Larven über Nymphen bis hin zum erwachsenen Tier. Besonders gefährlich dabei: Bereits junge Nymphen, die gerade einmal stecknadelkopfgroß sind, können Krankheiten übertragen, da sie oft unbemerkt bleiben.
Zecken leben überwiegend in bodennaher Vegetation wie hohem Gras, Gebüsch, an Waldrändern, feuchten Bachufern, Parks und Gärten. Entgegen einem weit verbreiteten Mythos fallen Zecken nicht von Bäumen herab, sondern sitzen auf niedrigen Pflanzen und werden beim Vorbeistreifen abgestreift. Die Zeckensaison erstreckt sich typischerweise von März bis Oktober. Doch durch zunehmend milde Winter sind Zecken mittlerweile oft ganzjährig aktiv, sobald die Temperaturen über 7 Grad Celsius liegen.
Gerade für Menschen, die sich beruflich oder privat viel im Grünen aufhalten, ist deshalb Vorsicht geboten: Ob auf Baustellen mit Grünanlagen, im Forstbetrieb, beim Spaziergang im Park oder beim Spielen mit Kindern im Garten – die kleinen Blutsauger lauern fast überall, wo Gras und Sträucher zu finden sind. Aufmerksamkeit und die richtigen Schutzmaßnahmen sind daher entscheidend, um das Risiko einer Zeckeninfektion so gering wie möglich zu halten.
2. Die wichtigsten durch Zecken übertragenen Krankheiten
Borreliose – unterschätzte Gefahr durch Zecken
Borreliose, auch Lyme-Borreliose genannt, ist die häufigste durch Zecken übertragene Krankheit in Deutschland. Sie wird durch Bakterien der Gattung Borrelia burgdorferi verursacht, welche bei einem Zeckenstich vom Parasiten auf den Menschen übertragen werden können. Das Infektionsrisiko ist weit verbreitet, denn Borrelien kommen flächendeckend in ganz Deutschland vor. Je länger eine Zecke am Körper verbleibt, desto größer ist die Gefahr einer Übertragung, wobei die Ansteckung meist erst etwa zwölf Stunden nach Beginn des Blutsaugens erfolgt.
Die Erkrankung verläuft typischerweise in drei Stadien:
Frühes Stadium: Charakteristisch ist eine ringförmige Hautrötung rund um die Einstichstelle, die sogenannte Wanderröte (Erythema migrans). Diese tritt meist einige Tage bis Wochen nach dem Stich auf und breitet sich langsam kreisförmig aus. Zusätzlich können grippeähnliche Symptome wie Müdigkeit, Fieber oder Gelenkschmerzen auftreten.
Mittleres Stadium: Wochen bis Monate später kann es ohne rechtzeitige Behandlung zu Entzündungen der Gelenke, Muskelschmerzen, Herzrhythmusstörungen und neurologischen Beschwerden kommen. Typisch sind beispielsweise Nervenschmerzen, Taubheitsgefühle oder sogar Gesichtslähmungen.
Spätes Stadium: Bleibt die Borreliose unbehandelt, können chronische Entzündungen und dauerhafte Schäden an Gelenken und dem Nervensystem auftreten. Diese chronischen Beschwerden entwickeln sich oft erst Monate oder Jahre nach dem Zeckenstich.
Besonders problematisch ist, dass gegen Borreliose keine Schutzimpfung verfügbar ist. Deshalb spielt Prävention – also das Vermeiden von Zeckenstichen – eine entscheidende Rolle. Falls doch einmal ein Zeckenstich passiert, ist die schnelle und fachgerechte Entfernung der Zecke extrem wichtig, um das Infektionsrisiko deutlich zu senken. Bei Verdacht auf eine Infektion, insbesondere beim Auftreten einer Wanderröte oder grippeähnlicher Symptome nach einem Zeckenstich, sollte schnellstmöglich ärztlicher Rat eingeholt werden. Denn früh erkannt und behandelt, lässt sich Borreliose gut mit Antibiotika behandeln, wodurch langfristige Folgeschäden verhindert werden können.
3. Gefährdete Personengruppen: Wer besonders auf Zecken achten sollte
Zecken stellen insbesondere für Menschen, die viel Zeit im Freien verbringen, ein erhöhtes Risiko dar. Berufsgruppen wie Beschäftigte in der Grünpflege, der Forst- und Landwirtschaft, im Obst- und Weinbau, in der Jagd oder bei Baumpflegearbeiten sind hier besonders gefährdet. Sie kommen regelmäßig mit bodennaher Vegetation, Gebüschen und Gräsern in Kontakt – genau den Lebensräumen, in denen Zecken bevorzugt lauern. Mitarbeiter in diesen Bereichen sollten daher unbedingt spezielle Schutzmaßnahmen ergreifen und regelmäßig geschult werden, um Zeckenstiche zu verhindern und mögliche Symptome rechtzeitig zu erkennen.
Doch nicht nur beruflich aktive Menschen sind gefährdet, sondern auch Familien mit Kindern, die ihre Freizeit gerne draußen verbringen. Beim Wandern, Camping oder Spielen im Garten, in Parks oder Wäldern besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko, von Zecken gestochen zu werden. Besonders bei Kindern wird ein Zeckenstich oft erst spät entdeckt, was die Gefahr einer Infektion erhöht. Eltern sollten deshalb nach jedem Aufenthalt im Freien den Körper ihrer Kinder gründlich nach Zecken absuchen und ihnen altersgerechte Verhaltensweisen im Umgang mit Zecken vermitteln. Denn gerade für Familien gilt: Vorbeugung und Aufmerksamkeit bieten den besten Schutz, um Krankheiten wie Borreliose oder FSME zu vermeiden.
Der beste Schutz vor Zeckenkrankheiten ist die konsequente Vermeidung von Zeckenstichen. Eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Maßnahme ist dabei das Tragen geeigneter Kleidung. Optimal sind helle, dicht gewebte und lange Kleidungsstücke, die möglichst viel Hautfläche bedecken. Helle Farben erleichtern zudem das schnelle Erkennen von Zecken, bevor diese überhaupt die Möglichkeit haben, auf die Haut zu gelangen.
Zusätzlich können sogenannte Repellentien, also insektenabwehrende Mittel, verwendet werden. Diese Mittel werden direkt auf die Haut oder auf die Kleidung aufgetragen und sollen Zecken fernhalten. Produkte mit den Wirkstoffen DEET oder Icaridin haben sich dabei als besonders wirksam erwiesen. Wichtig ist es jedoch, die Herstellerangaben zur Wirkungsdauer und Anwendung genau zu beachten, da der Schutz meist zeitlich begrenzt ist. Wenig sinnvoll oder sogar gefährlich sind hingegen vermeintliche Hausmittel wie Öl, Klebstoff oder Terpentin – sie bieten keinen zuverlässigen Schutz und erhöhen sogar das Risiko, dass die Zecke Erreger überträgt.
Trotz aller vorbeugenden Maßnahmen bleibt die regelmäßige Kontrolle des Körpers und der Kleidung nach Aufenthalten im Freien unverzichtbar. Insbesondere Kniekehlen, Achselhöhlen, Leistengegend, Haaransatz und hinter den Ohren sollten gründlich abgesucht werden, da Zecken diese Stellen bevorzugen. Je schneller eine Zecke entdeckt und entfernt wird, desto geringer ist das Risiko einer gefährlichen Infektion. Diese konsequente Nachkontrolle ist nicht nur für Erwachsene, sondern vor allem auch bei Kindern besonders wichtig.
5. Richtig handeln nach einem Zeckenstich: Erste Hilfe in wenigen Schritten
Ein Zeckenstich ist keine Seltenheit, doch richtiges Verhalten im Ernstfall minimiert das Risiko einer Infektion entscheidend. Nach dem Entdecken einer Zecke sollte diese so schnell wie möglich entfernt werden, um das Übertragungsrisiko von Krankheitserregern deutlich zu reduzieren. Ideal für das Entfernen sind spezielle Hilfsmittel wie eine spitze Pinzette, eine Zeckenkarte oder eine Zeckenschlinge.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur sicheren Entfernung:
Die Zecke möglichst hautnah mit dem Hilfsmittel erfassen, ohne dabei den Körper zu quetschen.
Langsam und gleichmäßig gerade herausziehen – keinesfalls ruckartig oder drehend, um ein Abreißen des Kopfes zu vermeiden.
Prüfen, ob die Zecke vollständig entfernt wurde. Falls Teile in der Haut zurückbleiben, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Auf vermeintliche Hausmittel wie Öl, Klebstoff oder Terpentin sollte unbedingt verzichtet werden. Diese Stoffe führen dazu, dass die Zecke erstickt und im Todeskampf möglicherweise mehr Erreger in die Wunde abgibt – das Infektionsrisiko steigt dadurch sogar erheblich.
Nach dem Entfernen der Zecke sollte die Einstichstelle gründlich mit einem Hautdesinfektionsmittel gereinigt werden, um das Infektionsrisiko weiter zu reduzieren. Anschließend empfiehlt es sich, die Stichstelle mit einem wasserfesten Stift zu markieren oder zu fotografieren. Diese Markierung hilft, Veränderungen wie eine Rötung oder Schwellung rechtzeitig zu erkennen, insbesondere falls sich eine Wanderröte entwickelt.
Gerade bei beruflichen Tätigkeiten im Freien (z. B. Forst- und Grünpflege) ist es wichtig, den Zeckenstich im Verbandbuch zu dokumentieren. Notiert werden sollten Datum, Uhrzeit, betroffene Körperstelle und genaue Umstände des Stichs. Diese Dokumentation ist essenziell, um bei einer später auftretenden Erkrankung wie Borreliose oder FSME eine korrekte Anerkennung als Berufskrankheit und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu ermöglichen.
6. Medizinische Nachsorge und Behandlung nach einem Zeckenstich
Ein Zeckenstich sollte ernst genommen werden, auch wenn zunächst keine Symptome auftreten. Die schnelle Erkennung und korrekte Interpretation möglicher Anzeichen einer Infektion ist entscheidend. Typische Symptome, die eine rasche ärztliche Abklärung erforderlich machen, sind beispielsweise eine sich langsam ausbreitende Hautrötung (Wanderröte), grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen oder geschwollene Gelenke. Diese Anzeichen können Tage oder sogar Wochen nach dem Stich auftreten – bei Verdacht ist daher umgehend ein Arzt aufzusuchen.
Für medizinisches Fachpersonal ist es zudem wichtig zu wissen, dass bei Zeckenstichen im beruflichen Umfeld – etwa in der Forst- und Landwirtschaft oder Grünpflege – ein Anspruch auf Anerkennung als Berufskrankheit (BK 3102) bestehen kann. In solchen Fällen sollten Arbeitnehmer unbedingt den Zeckenstich im Verbandbuch dokumentieren und den behandelnden Arzt über den beruflichen Kontext informieren, damit eine korrekte Meldung erfolgen und spätere Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ermöglicht werden können.
Im Gegensatz zur Borreliose gibt es gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) eine wirksame Impfung, die besonders Personen empfohlen wird, die in FSME-Risikogebieten leben, arbeiten oder Urlaub machen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt hierbei drei Teilimpfungen: nach der ersten Impfung folgt nach ein bis drei Monaten die zweite, eine dritte Dosis erfolgt nach weiteren fünf bis zwölf Monaten. Danach besteht für etwa drei bis fünf Jahre Schutz, bevor eine Auffrischungsimpfung notwendig wird. Nebenwirkungen der FSME-Impfung sind meist mild, etwa Schmerzen an der Einstichstelle, leichte Müdigkeit oder kurzfristige Kopfschmerzen. Die Vorteile der Impfung überwiegen klar, da sie vor einer schweren Erkrankung mit möglichen bleibenden Schäden schützt. Wer regelmäßig im Freien arbeitet oder viel Zeit im Grünen verbringt, sollte daher die FSME-Impfung in Absprache mit einem Arzt frühzeitig durchführen lassen.
7. Verantwortung des Arbeitgebers: Zeckenschutz am Arbeitsplatz sicherstellen
Arbeitgeber tragen bei Tätigkeiten im Freien eine klare Verantwortung für den Schutz ihrer Beschäftigten vor Zecken. Gemäß der Biostoffverordnung (BioStoffV) sind Unternehmen verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und gezielte Schutzmaßnahmen festzulegen. Dazu gehört auch die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung einer Betriebsanweisung, in der Risiken durch Zecken, geeignete Schutzmaßnahmen und richtiges Verhalten im Falle eines Zeckenstichs detailliert beschrieben sind.
Besonders wichtig ist außerdem die Ausstattung von Erste-Hilfe-Kästen: Diese müssen bei Tätigkeiten mit Zeckenexposition zwingend mit geeigneten Hilfsmitteln wie spitzen Pinzetten, Zeckenkarten oder Zeckenschlingen sowie Desinfektionsmitteln ergänzt werden. So können Mitarbeiter Zecken schnell und fachgerecht entfernen und die Einstichstelle desinfizieren, um das Infektionsrisiko erheblich zu reduzieren.
Weiterhin haben Arbeitgeber die Pflicht, ihren Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge und Beratungen durch Betriebsärzte anzubieten. Betriebsärzte informieren über Infektionsrisiken, geeignete Schutzmaßnahmen, sowie Möglichkeiten der FSME-Impfung. Gerade für Beschäftigte in FSME-Risikogebieten ist ein gezieltes Impfangebot wichtig, um langfristig Gesundheitsrisiken durch Zecken zu minimieren. Diese umfassende Betreuung sorgt nicht nur für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden, sondern auch für eine rechtliche Absicherung des Arbeitgebers.
8. Praktische Checklisten und Musterbetriebsanweisungen für mehr Sicherheit
Um Arbeitgeber und Beschäftigte optimal beim Schutz vor Zecken zu unterstützen, bieten wir praktische Vorlagen und Hilfsmittel zum kostenlosen Download an.
Musterbetriebsanweisung „Zeckenstich“ Eine klar formulierte Betriebsanweisung ist gemäß Biostoffverordnung vorgeschrieben. Unsere Musterbetriebsanweisung enthält wichtige Informationen zu Risiken (FSME und Borreliose), beschreibt detaillierte Schutzmaßnahmen, Verhaltensregeln bei einem Zeckenstich sowie notwendige Schritte zur Dokumentation im Verbandbuch. Sie kann direkt heruntergeladen, individuell angepasst und im Unternehmen genutzt werden.
Muster-Gefährdungsbeurteilung „Zecken“ nach BioStoffV Eine Gefährdungsbeurteilung nach BioStoffV ist verpflichtend, wenn Beschäftigte Tätigkeiten ausüben, bei denen sie einem erhöhten Risiko von Zeckenstichen ausgesetzt sind. Mit unserer Muster-Gefährdungsbeurteilung „Zecken“ erhalten Sie ein vorgefertigtes, anpassbares Word-Dokument, das alle relevanten Gefährdungen (FSME, Borreliose), Schutzmaßnahmen und organisatorischen Anforderungen übersichtlich zusammenfasst. Laden Sie die Vorlage herunter und passen Sie sie individuell auf Ihre betrieblichen Bedingungen an, um den gesetzlichen Anforderungen sicher und unkompliziert gerecht zu werden.
Checkliste „Vorbeugung und richtiges Verhalten bei Zeckenstichen“ Diese übersichtliche Checkliste fasst alle wichtigen Schutzmaßnahmen und Verhaltenstipps kompakt zusammen – von geeigneter Schutzkleidung, der richtigen Anwendung von Repellentien, über regelmäßige Körperkontrollen bis hin zur korrekten Entfernung von Zecken im Ernstfall. Besonders praktisch für Mitarbeiter, Familien oder für unterwegs.
Die Dokumente helfen, Zeckenstiche zu vermeiden und im Ernstfall souverän zu handeln. So sind alle optimal vorbereitet – ob beruflich oder privat.
Checkliste „Vorbeugung und Verhalten bei Zeckenstichen“ (Word, 2-seitig)
Muster-Gefährdungsbeurteilung Zecken nach BioStoffV (Word)
KOSTENLOSER DOWNLOAD
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Damit Sie und Ihre Beschäftigten sicher durch die Zeckensaison kommen!
9. Fazit: Zeckenschutz ernst nehmen – vorbeugen, erkennen, handeln
Zecken können erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich bringen, besonders durch Krankheiten wie Borreliose und FSME. Daher sind konsequente Schutz- und Vorsorgemaßnahmen unverzichtbar:
Tragen Sie bei Aufenthalten im Grünen geschlossene, helle Kleidung, verwenden Sie geeignete Repellentien, und kontrollieren Sie regelmäßig Haut und Kleidung auf Zeckenbefall. Bei einem Zeckenstich gilt: schnelle und fachgerechte Entfernung der Zecke, gründliche Desinfektion und sorgfältige Beobachtung der Stichstelle. Dokumentieren Sie berufliche Zeckenstiche unbedingt im Verbandbuch, um Ansprüche bei späteren Erkrankungen abzusichern.
Arbeitgeber haben eine besondere Verantwortung: Neben der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung und Betriebsanweisung sollten sie Erste-Hilfe-Ausrüstung bereitstellen und arbeitsmedizinische Vorsorge ermöglichen.
Letztlich entscheidet die kontinuierliche Sensibilisierung und Aufklärung im beruflichen wie privaten Umfeld maßgeblich darüber, ob Gesundheitsrisiken durch Zecken frühzeitig erkannt und wirksam verhindert werden können. Je besser informiert Beschäftigte, Eltern und Familien sind, desto sicherer lässt sich der Aufenthalt in der Natur genießen – beruflich und privat.
10. Weiterführende Links & Downloads
Aktuelle Karte der FSME-Risikogebiete (Robert Koch-Institut) www.rki.de/fsme
SVLFG-Flyer „Zecken – der richtige Schutz“ (PDF) www.svlfg.de/f28
Die wärmeren Temperaturen der letzten Jahre haben einen ungebetenen Gast in unseren Parks, Wäldern und Grünanlagen begünstigt – den Eichenprozessionsspinner(Thaumetopoea processionea). Für Sicherheitsfachkräfte (SiFa) und Sicherheitsbeauftragte (SiBe) gehört es heute mehr denn je zum Berufsalltag, sich umfassend über dieses Thema zu informieren und Schutzmaßnahmen wirksam umzusetzen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie Mitarbeitende effektiv vor den gesundheitlichen Gefahren durch die Raupenhaare schützen können.
Was ist der Eichenprozessionsspinner und warum ist er gefährlich?
Der Eichenprozessionsspinner ist ein Nachtfalter, dessen Raupen bevorzugt Eichenbäume besiedeln. Ab Mitte April bis Anfang Mai beginnen sie, in großen Gruppen Blätter zu fressen. Charakteristisch ist dabei die sogenannte „Prozession“, bei der Raupen in langen Ketten hintereinanderher wandern. Ab dem dritten Larvenstadium bilden die Raupen giftige Brennhaare aus. Diese Brennhaare enthalten das Eiweißgift Thaumetopoein, welches erhebliche gesundheitliche Beschwerden auslösen kann.
Die Brennhaare sind außerordentlich klein, leicht und brechen schnell ab. Sie können daher mit dem Wind über weite Entfernungen verteilt werden und bleiben jahrelang wirksam. Kommt ein Mensch mit den Brennhaaren in Kontakt, sind allergische Reaktionen, Hautreizungen, Atemwegsbeschwerden und Augenentzündungen die Folge. Gerade bei mehrfacher Exposition nehmen Intensität und Schweregrad der Symptome oft deutlich zu, in Einzelfällen sogar bis hin zum anaphylaktischen Schock.
Wer ist besonders gefährdet?
Gefährdet sind insbesondere Personen, die beruflich regelmäßig in befallenen Gebieten tätig sind, wie beispielsweise:
Mitarbeitende im Bereich der Forstwirtschaft und Landschaftspflege,
Beschäftigte von Straßenmeistereien und kommunalen Bauhöfen,
Mitarbeitende von Einrichtungen wie Kitas, Schulen oder Freizeitparks,
Sicherheitsbeauftragte und Verantwortliche für den Arbeitsschutz, die mit der Gefährdungsbeurteilung betraut sind.
Aber auch Privatpersonen, beispielsweise Spaziergänger oder Jogger, können bei Aufenthalt in befallenen Gebieten betroffen sein.
Welche Symptome treten bei Kontakt auf?
Die Reaktionen des Körpers auf die Brennhaare reichen von leichtem Juckreiz bis hin zu schweren allergischen Reaktionen. Typische Symptome sind:
Atemwegsprobleme: Atemnot, bronchiale Beschwerden bis hin zu Asthmaanfällen,
Allgemeine Beschwerden: Fieber, Schwindel und selten schwere allergische Schockzustände.
Bei Auftreten dieser Symptome sollte umgehend medizinische Hilfe aufgesucht werden.
Wirksame Schutzmaßnahmen für Ihre Mitarbeitenden (TOP-Prinzip)
Im Sinne der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz Ihrer Mitarbeitenden gilt grundsätzlich das TOP-Prinzip (Technische, Organisatorische, Persönliche Maßnahmen):
Technische Maßnahmen:
Gespinstnester entfernen: Spezialisierte Firmen sollten mit speziellen Industriesaugern (Staubklasse H mit Vorabscheider) die Nester absaugen, um die Ausbreitung der Brennhaare zu minimieren.
Biologische Bekämpfung: Einsatz biologischer Biozide wie Bacillus thuringiensis, um frühzeitig den Befall einzudämmen.
Organisatorische Maßnahmen:
Befallene Gebiete absperren und klar kennzeichnen.
Sichtkontrollen regelmäßig durchführen und dokumentieren.
Mitarbeitende über die Gefahren informieren und regelmäßig schulen.
Aufenthaltszeiten und Tätigkeiten in Risikobereichen minimieren.
Hygiene- und Hautschutzmaßnahmen klar definieren und kommunizieren (z.B. regelmäßige Reinigung, Kleiderwechsel).
Persönliche Schutzmaßnahmen (PSA):
Schutzanzüge (Chemikalienschutz Typ 4B),
Atemschutzmasken FFP2 oder FFP3 mit Ventil,
Schutzhandschuhe (Nitril),
Geschlossenes, leicht zu reinigendes Schuhwerk (z.B. Nitrilstiefel nach EN 13832-3),
Dicht schließende Schutzbrille (Korbbrille).
Verhalten bei Kontakt mit Brennhaaren
Falls es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einem Kontakt kommt, sollten folgende Schritte unverzüglich eingeleitet werden:
Kleidung sofort wechseln und separat bei mindestens 60°C waschen,
Gründliches Duschen und Haarwäsche durchführen,
Augen gründlich mit Wasser ausspülen, ggf. Augenspülflasche verwenden,
Bei Beschwerden oder Unsicherheit unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Ihre hilfreichen Downloads für den betrieblichen Einsatz
Zur Unterstützung Ihrer praktischen Arbeit stellen wir Ihnen eine speziell für Ihre Tätigkeit entwickelte Betriebsanweisung „Eichenprozessionsspinner“ als übersichtliches Foto zur Verfügung:
Zudem bieten wir Ihnen unsere umfassende Gefährdungsbeurteilung (GBU) als kostenfreien Download im PDF-Format an. Nutzen Sie diese Vorlage, um individuell auf Ihre betrieblichen Bedingungen angepasst eine rechtssichere Dokumentation zu gewährleisten:
Als Sicherheitsfachkräfte (SiFa) und Sicherheitsbeauftragte (SiBe) sind Sie zentrale Akteure bei der Prävention von gesundheitlichen Gefährdungen durch Eichenprozessionsspinner. Durch regelmäßige Schulungen, konsequente Umsetzung der Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip und frühzeitige Entfernung der Gespinstnester lassen sich Gefahren effektiv reduzieren.
Nutzen Sie die bereitgestellten Hilfsmittel (Betriebsanweisung und GBU), um Ihre Mitarbeitenden wirksam und rechtssicher zu schützen. Bleiben Sie wachsam und sorgen Sie durch gezielte Schutzmaßnahmen für einen sicheren und gesunden Arbeitsplatz.
Ende August 2024 hat das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung vorgelegt, der erhebliche Neuerungen im Arbeitsschutz mit sich bringt. Im Fokus steht die Prävention arbeitsbedingter Krebserkrankungen und der Schutz der Beschäftigten vor gefährlichen Stoffen – insbesondere Asbest und krebserzeugenden Substanzen. Für Sicherheitsfachkräfte (SIFAs), Sicherheitsbeauftragte (SIBEs) und Geschäftsführer bedeutet dies, dass sie sich frühzeitig auf die neuen Anforderungen einstellen müssen, um ihre Unternehmen rechtlich abzusichern und die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen.
Was wird geändert?
Die geplante Änderung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) zielt darauf ab, das risikobezogene Maßnahmenkonzept bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorien 1A und 1B zu stärken. Dieses Konzept, das bereits seit 2008 existiert, koppelt die Anforderungen an Schutzmaßnahmen an das statistische Risiko, das mit der jeweiligen Tätigkeit verbunden ist. Neu ist die verbindliche Einführung von Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen. Diese Grenzwerte helfen dabei, die Exposition der Beschäftigten gegenüber krebserzeugenden Stoffen besser einzuordnen und die richtigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Zusätzlich wird eine Regelung eingeführt, die von Arbeitgebern verlangt, ein Expositionsverzeichnis für reproduktionstoxische Stoffe der Kategorien 1A und 1B zu führen. Dies dient nicht nur der besseren Dokumentation, sondern auch dem Schutz der Mitarbeiter im Fall späterer Erkrankungen.
Fokus auf Asbest: Mehr Schutz bei Arbeiten an älteren Gebäuden
Ein zentrales Element der neuen Verordnung ist der Umgang mit Asbest. Trotz des seit 1993 bestehenden Verbots asbesthaltiger Materialien treten bei Renovierungs- und Abbrucharbeiten in älteren Gebäuden weiterhin asbestbedingte Gesundheitsgefahren auf. Die Unfallversicherungsträger verzeichnen nach wie vor eine hohe Zahl von asbestbedingten Berufskrankheiten und Todesfällen. In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 30.000 Fälle von asbestbedingten Berufskrankheiten anerkannt, mit über 16.000 Todesfällen.
Die geplanten Änderungen schreiben vor, dass Bauherren und Auftraggeber künftig genau angeben müssen, wann ihr Gebäude errichtet wurde. Für Gebäude, die vor dem 31. Oktober 1993 gebaut wurden, besteht eine erhöhte Asbestrisiko-Wahrscheinlichkeit. Diese Information muss den ausführenden Firmen vor Beginn der Arbeiten schriftlich oder elektronisch vorgelegt werden. Liegen diese Daten nicht vor, muss der Bauherr sie mit vertretbarem Aufwand, beispielsweise beim zuständigen Bauamt, beschaffen.
Für Unternehmen bedeutet dies: Wer Bau- oder Sanierungsarbeiten durchführt, muss diese Informationen vor dem Arbeitsbeginn unbedingt einholen. Das Versäumnis könnte nicht nur zu Gefahren für die Mitarbeiter führen, sondern auch zu rechtlichen Konsequenzen.
Risikobasierte Gefährdungsbeurteilung: Was ändert sich?
Ein wichtiger Teil der geplanten Änderungen betrifft die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes. Arbeitgeber müssen künftig neben den klassischen Arbeitsplatzgrenzwerten auch die neuen Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen in ihre Beurteilung einfließen lassen. Diese Konzentrationswerte bestimmen, ob eine Exposition als akzeptabel, mittleres Risiko oder hohes Risiko eingestuft wird. Die Toleranzkonzentration markiert die Grenze, ab der das Risiko als nicht mehr tolerierbar gilt.
Unternehmen, die mit Gefahrstoffen arbeiten, müssen daher sicherstellen, dass ihre Gefährdungsbeurteilungen stets auf dem neuesten Stand sind und die neuen Anforderungen berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren und regelmäßig zu aktualisieren – insbesondere bei Tätigkeiten im Bereich „mittleres“ oder „hohes“ Risiko.
Praktische Tipps für Sicherheitsverantwortliche und Geschäftsführer
Die Anpassung der Gefahrstoffverordnung bringt neue Verpflichtungen, aber auch klare Leitlinien für den betrieblichen Arbeitsschutz. Hier sind einige Schritte, die du als Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragter oder Geschäftsführer in deinem Unternehmen berücksichtigen solltest:
Überprüfung der aktuellen Gefährdungsbeurteilung: Gehe sicher, dass deine Gefährdungsbeurteilungen bereits die risikobasierten Maßnahmen beinhalten und überprüfe, ob Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen korrekt einbezogen wurden.
Schulungen und Weiterbildungen: Es wird notwendig sein, deine Mitarbeiter und Kollegen im Umgang mit der neuen Gefahrstoffverordnung zu schulen. Besonders in der Bau- und Instandhaltungsbranche sollten regelmäßig Schulungen zur sicheren Asbesthandhabung durchgeführt werden.
Dokumentation und Expositionsverzeichnisse führen: Unternehmen müssen ein Expositionsverzeichnis führen, in dem die Tätigkeiten sowie die Höhe und Dauer der Expositionen von Mitarbeitern festgehalten werden. Dieses Verzeichnis ist für mindestens 40 Jahre aufzubewahren.
Anforderungen an persönliche Schutzausrüstung (PSA): Überprüfe, ob die eingesetzten Schutzausrüstungen den aktuellen europäischen Anforderungen entsprechen. Neue Regelungen zur PSA-Benutzungsverordnung werden diesbezüglich eingeführt.
Kooperation mit Bauherren: Vor jeder Arbeit an einem älteren Gebäude sollte der Bauherr dir die relevanten Informationen über das Baujahr und potenziell vorhandene Gefahrstoffe zur Verfügung stellen. Achte darauf, dass alle rechtlichen Vorgaben erfüllt sind, bevor die Arbeit beginnt.
Vorausschauende Planung: Da viele dieser Änderungen an die EU-Rechtsvorgaben gekoppelt sind, könnte es in den kommenden Jahren zu weiteren Anpassungen kommen. Es ist sinnvoll, vorausschauend zu planen und schon heute Systeme zur Dokumentation und Kontrolle von Gefahrstoffen zu implementieren, um zukünftige Anforderungen problemlos erfüllen zu können.
Rechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Die Nichtbeachtung der neuen Vorschriften kann erhebliche Folgen haben. Unternehmen, die keine angemessenen Schutzmaßnahmen treffen oder die Expositionsverzeichnisse nicht führen, laufen Gefahr, bei Unfällen oder Erkrankungen rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Verstöße gegen die Gefahrstoffverordnung können mit hohen Bußgeldern geahndet werden, und es besteht das Risiko von Haftungsansprüchen seitens der Mitarbeiter.
Wie geht es weiter?
Der Entwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren. Der Bundesrat wird sich in den kommenden Monaten mit den Vorschlägen befassen. Es bleibt abzuwarten, wann die neuen Regelungen endgültig verabschiedet werden, doch Unternehmen sollten sich bereits jetzt auf die bevorstehenden Änderungen vorbereiten.
Sicherheitsfachkräfte, Sicherheitsbeauftragte und Geschäftsführer sind gut beraten, die Entwicklungen genau im Auge zu behalten und frühzeitig Maßnahmen zur Anpassung an die neuen Anforderungen zu ergreifen.
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