Gibt es einen Unterschied zwischen Fachkunde und Sachkunde nach GefStoffV?

Fachkunde und Sachkunde – zwei Begriffe eine Bedeutung. So denkt zumindest die Mehrheit, welche die beiden Fachtermini hört. Liegen diejenigen, die so denken richtig? Leider nicht. Obwohl die beiden Substantive im täglichen Sprachgebrauch den Status “Synonym” genießen, trifft das nicht zu.

Donato Muro von Sicherheitsingenieur.nrw

Donato Muro

Der Inhaber von SicherheitsIngenieur.NRW ist ein aus dem Fernsehen bekannter Experte für Arbeitssicherheit. Er studierte an mehreren deutschen Hochschulen, ist Naturwissenschaftler, Ingenieur, Jurist, Arbeitspsychologe, Toxikologe und MBA.

Der wenig bekannte Unterschied zwischen Fachkunde und Sachkunde

Was ist Sachkunde? Diese scheinbar banale Frage beantworten lediglich die Behörden. Fachkunde wiederum tangiert einen weitaus größeren Personenkreis als Sachkunde. In die Kategorie Fachkundige fallen Menschen, die eine naturwissenschaftliche oder technische Bildung genossen haben. Sie kennen sich zudem bestens mit Gefahrenstoffen aus. Demzufolge zählt eine Fachkraft für Arbeitssicherheit im Hinblick auf gefährliche Stoffe als fachkundig.

So weit, so gut. Und woraus resultieren die Voraussetzungen, die eine Person mitbringt, um sich als fachkundig bezeichnen zu dürfen? – Aus seiner technischen Ausbildung. Darüber hinaus dient ebenso ein ingenieurwissenschaftliches Studium als Bedingung dafür, dass eine Person, sich fachkundig nennen darf, sofern sie einer beruflichen Tätigkeit in der Arbeitssicherheit nachgeht.

Asbest ist ein bekannter Gefahrstoff. Auch wenn ein Experte auf diesem Gebiet fachkundig ist, reicht das nicht aus, um sich als sachkundig zu bezeichnen. Warum? Weil Sachkunde einen speziellen Lehrgang samt Prüfung erfordert. Noch etwas? Ja. Der Lehrgang ist idealerweise von der Behörde anerkannt.

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Sachkunde und Fachkunde an einem Praxisbeispiel einfach erklärt

Auch wenn eine Fachkraft für Arbeitssicherheit als Fachkundiger für Gefahrenstoffe gilt, bedeutet das noch lange nicht, dass diese Person sich als Experte für Gefahrenstoffe bezeichnen darf. Denn eine Fachkraft kennt nicht die genauen Bezeichnungen der Gefahrenstoffe – zumindest nicht die genaue chemische Zusammensetzung. Der Trick besteht darin, die richtigen Fragen zu stellen. Das ist die Aufgabe eines Fachkundigen. Die nachfolgenden Fragen sollte eine Fachkraft stellen:

  • Welche Eigenschaften zeichnen diesen Stoff aus?
  • Entstehen durch die Nutzung gefährliche Dämpfe?
  • Kann dieser Gefahrenstoff eine Explosion verursachen?
  • Reagiert der Stoff mit anderen Stoffen?
  • Befinden sich die Stoffe in Ihrem Besitz?
  • Benötigen Sie diese tatsächlich in der jeweiligen Menge?

Deshalb gehören Gasflaschen, die gefährliche Gase enthalten, in einen Schrank. Zudem sollten sie sich keineswegs in Heizungsnähe befinden. Um mögliche Unklarheiten zu beseitigen, tritt die Sachkunde auf die Bühne: Sie vermittelt ein ausführliches Wissen über die einzelnen Gefahrstoffe. In diesem Fall weiß der Sachkundige, wie die Stoffe heißen. Zudem ist er darüber informiert, wie der jeweilige Stoff mit Wasser reagiert. Sind Handschuhe erforderlich? Auch diese Frage beantwortet ein Sachkundiger im Nu.

Fazit

Eine Person, die auf einem auserwählten Gebiet ein bestimmtes Wissen vorweisen kann, fällt in die Kategorie fachkundig. Des Weiteren genießt der Begriff Fachkunde keinen Schutz. Sachkundig hingegen dürfen sich nur Personen bezeichnen, die zusätzliches Wissen erworben haben. Ein anerkannter Lehrgang erfüllt diesen Zweck. Daneben absolviert ein Sachkundiger eine Prüfung, die er selbstverständlich besteht. Als Beweis für sein sachkundiges Wissen erhält er ein Zertifikat.


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Was das Lieferkettengesetz für Ihr Unternehmen bedeutet

Was das Lieferkettengesetz für Ihr Unternehmen bedeutet

Rund um das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) gab es in den letzten Jahren viele Diskussion zwischen den Vertretern der Wirtschaft, Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen und der Politik. Einigkeit herrschte in wesentlichen Punkten bei den Themen Menschenrechte, Kinderrechte und Umweltschutz. In Bezug auf die Umsetzung des Gesetzes und der bislang allgemein angewendeten und über Jahrzehnte gewachsenen Sorgfaltspflichten und Rechenschaftspflichten bei den Lieferketten geht man vor dem Hintergrund einer globalisierten Produktions- und Handelswelt von einer stetig wachsenden Intensivierung derselben aus. Daraus leitet sich die Notwendigkeit eines Lieferkettensorgfaltsgesetzes ab. Als Ergebnis regelt das kommende LkSG künftig eine Reihe geltender Pflichten für die partizipierenden Unternehmen.

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Welche Unternehmen unterliegen dem Lieferkettengesetz?

Alle Bemühungen führten letztlich zum einem Lieferkettensorgfaltsgesetz, das je nach Anzahl der Beschäftigten in zwei Stufen in Kraft treten wird.

Ab dem 01. Januar 2023 sind Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von mehr als 3.000 Mitarbeitern zur Umsetzung verpflichtet.
Ein Jahr später, am 01. Januar 2024, sind dann auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern an das Gesetz gebunden.
Verbindlich ist das Gesetz für Unternehmen, die sowohl von Deutschland aus agieren als auch von Betrieben, die in Deutschland ansässig sind.

Unabhängig von der Mitarbeiteranzahl sollte sich jedes Unternehmen, das in eine Lieferkette eingebunden ist, mit dem kommenden LkSG auseinandersetzen und seine Prozesse im Hinblick auf die anstehenden Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten anpassen. Parallel zu den nationalen Gesetzesregelungen plant die Europäische Union für 2024 ein adäquates Gesetz, das unabhängig von der Zahl der Mitarbeiter zur Anwendung kommen soll.

Daraus ergibt sich aktuell für jedes Unternehmen die Frage, ob und auf welche Weise das Lieferkettensorgfaltsgesetz die Prozesse und Abläufe berührt und welche Anpassungen, Änderungen, Maßnahmen und Kontrollmechanismen notwendig sind, um die Anforderungen zu erfüllen. Das LkSG bringt für die Unternehmen eine Reihe neuer Rechtspflichten, die im Falle von Verstößen oder Nichterfüllung mit Bußgeldzahlungen geahndet werden können. Um optimal auf das Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes vorbereitet zu sein, wird allen Unternehmen empfohlen, sich einerseits mit dem LkSG vertraut zu machen und andererseits die internen und externen Lieferketten und Abläufe auf den Prüfstand zu stellen. Anwendung findet das neue Gesetz sowohl beim Sektor Fertigerzeugnisse als auch bei den Vorleistungsgütern. Unter Vorleistungsgüter fallen Produkte und Dienstleistungen, die wiederum in die Herstellung von Produkten einfließen.

Wem obliegt die Kontrolle zur Einhaltung des Lieferkettengesetzes?

Die Überwachung und Kontrolle des LkSG obliegt dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die beauftragten BAFA-Mitarbeiter sind mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Dazu zählen das Recht auf freien Zugang zu den Geschäftsräumen, eine generelle Auskunftspflicht der Unternehmen, die Einsicht in die Geschäftsunterlagen und die Berechtigung zur direkten Handlungsaufforderung gegenüber dem Unternehmen. Etwaige Verstöße gegen das Lieferkettensorgfaltsgesetz bedürfen keiner Klage, da sie auf der Grundlage einer Beschwerde beim BAFA behandelt werden. Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen durch die Mitarbeiter des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle werden mit Bußgeldern oder Zwangsgeldern geahndet. Unternehmen, die auf öffentliche Aufträge setzen, können jenseits von Bußgeldzahlungen auch aus einem bereits laufenden Vergabeprozess ausgeschlossen werden und ebenso von einer künftigen Auftragsvergabe. Gemäß dem deutschen LkSG werden Bußgelder im Wettbewerbsregister dokumentiert. Die Vergabestellen haben das uneingeschränkte Recht auf Einsicht in das Register.

Welche Kriterien stehen beim Lieferkettengesetz im Fokus?

Die umfangreichen Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten umfassen die absolute Vermeidung von Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Sklaverei ebenso wie die diskriminierende Behandlung von Menschen aufgrund ihrer nationalen, sozialen oder ethnischen Herkunft.

Als widerrechtlich gelten zudem die Verweigerung von allgemeinen und kollektiven Arbeitsrechten, eine unangemessene Entlohnung der Arbeitnehmer sowie das Nichtvorhandensein von grundlegenden Arbeitsschutzmaßnahmen und die Nichteinhaltung von Sicherheitsstandards.

Auch werden die Durchsetzung von Unternehmensinteressen mithilfe von Sicherheitskräften und die widerrechtliche Enteignung von Unternehmen geahndet.

Verstöße gegen den Umweltschutz, die mit erhöhten Risiken und Verletzungen der Menschenrechte, Gesundheits- und Umweltgefahren einhergehen, gelten mit dem Inkrafttreten des LkSG als gesetzeswidrig.

Mittels umfangreicher Kontrollmechanismen und den damit verbundenen Sanktionen verfügt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle über die entsprechenden Instrumente zur Umsetzung des LkSG.

Was ist aus Unternehmenssicht zu tun?

Wie bei nahezu allen Problemlösungen empfiehlt sich auch bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes eine klar strukturierte, schrittweise Vorgehensweise. Diese umfasst im wesentlichen:

Das Risiko
Eine auf das Unternehmen zugeschnittene grundsätzliche Risikoanalyse, die dann künftig in festzulegenden Intervallen wiederholt und ausgewertet wird. Dabei werden ebenfalls konkrete Zuständigkeiten fixiert, die Teil des betrieblichen Risikomanagements sind.

Naturgemäß liefern die Ergebnisse aus der Risikoanalyse die Schwerpunkte des unternehmerischen Handelns. Ein gangbarer Weg ist dabei, die bereits vorhandene Einstufung von Lieferanten an die Anforderungen des LkSG anzupassen. Als weitere Datenquelle zur objektiven Risikoermittlung können die Erhebungen der Kreditversicherer dienen, die in der Regel öffentlich einsehbar sind. Diese so genannten Länderrisiken sind besonders für kleinere Unternehmen als Datenbasis zur Erstellung einer internen Risikoanalyse von Nutzen.

Folgende Kriterien fließen in die Risikoanalyse ein:

• Länderrisiken in Stufen von sehr hoch bis sehr gering
• Lieferantenrisiken Stufen s. o.

• Menschenrechte
• Diskriminierung
• Zwangsarbeit
• Kinderarbeit
• Korruption
• Arbeitsbedingungen
• Lohnniveau
• menschenrechtsverletzende Umweltschädigungen

Alle Kriterien werden mit den erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung verknüpft, die ihrerseits auch einer konkreten Verantwortlichkeit im Unternehmen bedürfen.

Bevor die erforderlichen Maßnahmen zur Veränderung und Verbesserung der Risiken final in einen Aktionsplan einfließen und somit verbindlich werden, können im Direktkontakt mit den Lieferanten offene Fragen und Details geklärt werden. Diese Vorgehensweise schließt Fehler und Missverständnisse aus und bietet gleichzeitig die Chance auf gemeinsame Lösungen und Prozessverbesserungen.

Darüber hinaus können Fachverbände und Niederlassungen deutscher Unternehmen in den betreffenden Ländern zusätzliche Fakten zu einer qualifizierten Risikoanalyse liefern. Einen Einblick in die bilateralen Beziehungen zwischen der BRD und den ausländischen Staaten sowie eine Übersicht zu den deutschen Vertretungen vor Ort gewähren die elektronischen Seiten des Auswärtigen Amtes.

Die Erklärung
Mit einer im LkSG vorgeschriebenen Grundsatzerklärung erkennt das Unternehmen seine menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten an und erläutert gleichzeitig, wie es diese erfüllt. In der Erklärung werden die Resultate der Risikoanalyse dargelegt und die Anforderungen an die Zulieferer und Mitarbeiter klar erläutert und fixiert.

Um die vorgeschriebene Grundsatzerklärung entsprechend ihrer Zielstellung zu erstellen, empfehlen sich zur Orientierung die Begründung des Regierungsentwurfes vom 03. März 2021 und/oder die dazu veröffentlichten Leitlinien der OECD.

Die Abhilfemaßnahmen
Die Anpassung an das LkSG können wirksame Präventionsmaßnahmen erforderlich machen. Dazu werden bestehende Geschäftsbeziehungen auf den Prüfstand gestellt, um sie im Bedarfsfall an das Lieferkettengesetz anzupassen. Es kann sich die Notwendigkeit ergeben, dass Geschäftsbeziehungen beendet und durch alternative Partner ersetzt werden.

Auch Abhilfe- und Präventionsmaßnahmen müssen hinterfragt werden. Mithilfe einer einfachen Übersicht lassen sich folgende Fragen kurz zusammenfassen:

• Liegen alle erforderlichen Informationen vor?
• Wurde die Probleme richtig erkannt, bewertet und priorisiert?
• Können vorgeschlagene Verbesserungen greifen?
• Gibt es weitere Lösungen durch die Kooperation mit Drittpartnern?
• Existieren alternative Lieferanten, die die Anforderungen des LkSG erfüllen?
• Soll oder muss die hinterfragte Geschäftsbeziehung fortgeführt werden?

Die Berichterstattung
Die Resultate der regelmäßigen Risikoanalyse werden durch die beauftragten Mitarbeiter an die Geschäftsleitung reportet, die ihrerseits für die Einleitung und Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung möglicher Risiken verantwortlich ist. Ziel ist es, dass die Unternehmen und ihre Lieferanten ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in Sachen Menschenrechte und Umwelt erfüllen.

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex listet wesentliche Inhalte für eine angemessene Berichterstattung auf. Kommt ein Unternehmen mittels eines Berichts über seine gesellschaftliche Unternehmensverantwortung der kommenden Informationspflicht aus dem Lieferkettengesetz bereits nach, bindet es die spezielle Lieferkettenproblematik darin ein. Auf den elektronischen Unternehmensseiten können die Bewertungen der Lieferketten ebenso veröffentlicht werden wie eine proaktive Informationsstrategie gegenüber den Kunden.

Die Beschwerdemechanismen
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben im LkSG sind Unternehmen verpflichtet, eigene Beschwerdeverfahren einzurichten oder sich alternativ an einem externen Beschwerdeverfahren zu beteiligen. Hinweise und Beschwerden können dabei grundsätzlich anonymer Natur sein und müssen zudem öffentlich zugänglich sein. Der zu installierende Beschwerdemechanismus unterliegt einer jährlichen Überprüfung.

Als potentielle Partner beim Aufbau von internen Beschwerdemechanismen im Zusammenhang mit dem Lieferkettensorgfaltsgesetz bieten sich eine Reihe von Partnern an. Dazu gehören die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die nationalen Wirtschafts- und Branchenverbände und die nationale Kontaktstelle der OECD.

Sorgfaltspflichten wahrnehmen – mittelbare und unmittelbare Zulieferer

Jenseits des eigenen Unternehmens unterscheidet das Lieferkettengesetz bei den Sorgfaltspflichten gegenüber den mittelbaren und den unmittelbaren Zulieferern. Während die Resultate der turnusmäßigen Risikoanalyse und die entsprechenden Präventionsmaßnahmen bei den unmittelbaren Zulieferern und im eigenem Unternehmen klar geregelt sind, unterliegen mittelbare Zulieferer naturgemäß einer passiven Kontrolle. Daher ist in Bezug auf mittelbare Zulieferer anlassbezogen zu agieren. Ergeben sich aus der unternehmerischen Risikoanalyse berechtigte Zweifel am Wirken mittelbarer Zulieferer und können diese auf der Basis der fixierten Präventionsmaßnahmen nicht umgehend beseitigt werden, bedarf es eines konkreten Aktionsplans zur Beendigung aufgetretener Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden.

Ein Blick nach Europa

Im März 2021 beschloss das Europaparlament einen Gesetzesvorschlag für ein weiterführendes Lieferkettensorgfaltsgesetz. Dieser Entwurf ist umfangreicher als die bislang beschlossenen nationalen Gesetze. Als voraussichtlicher Zeitpunkt zum Inkrafttreten gilt das Jahr 2024. Kernpunkte sind ebenfalls die Sorgfaltspflicht und die Rechenschaftspflicht der europäischen Unternehmen. Eine Differenzierung nach Mitarbeiterzahlen wie im deutschen LkSG ist derzeit nicht vorgesehen. Kommt es zu einer rechtsverbindlichen Verabschiedung dieses Gesetzes, müssen infolge die nationalen Gesetzesregelungen automatisch angepasst werden.

Das primäre Ziel zur Einführung eines Europäischen Gesetzes ist die Harmonisierung der bislang geltenden, nationalen Pflichten. Gleichzeitig soll mehr Rechtssicherheit für die im Europäischen Wirtschaftsraum aktiven Unternehmen geschaffen werden und noch existierende Wettbewerbsvor- und nachteile beseitigt werden.

Offen bleibt auch mit einem Europäischen Lieferkettensorgfaltsgesetz die Frage nach dem internationalen Vergleich. Unternehmen aus dem nichteuropäischen Wirtschaftsraum tragen dann nach wie vor weniger Verantwortung bei der Wahl ihrer Lieferanten, der Qualität ihrer Lieferketten und bei der der Wahrung von Menschenrechten und menschenrechtsverletzenden Umweltschäden.

Arbeitsplatzbeurteilung in Hinblick auf psychische Belastungsfaktoren- trotz gesetzlicher Vorgaben noch immer ein Wunschdenken

Arbeitsplatzbeurteilung in Hinblick auf psychische Belastungsfaktoren- trotz gesetzlicher Vorgaben noch immer ein Wunschdenken

Eine Berücksichtigung von psychischer Belastung und Beanspruchung während der Arbeit ist, trotz gesetzlicher Vorgabe, bei der Beurteilung von Arbeitsplätzen in der Praxis in vielen Fällen immer noch eine Ausnahme. Doch warum ist das so ?

Alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen zur Ermittlung von erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen eine Beurteilung von möglichen Gefährdungsfaktoren in ihren Unternehmen vornehmen.
Die Gefährdungsbeurteilung hat das Ziel, Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorzubeugen.

Bei einer Arbeitsplatzbeurteilung werden verschiedenen Faktoren wie beispielsweise die mechanische Gefährdung, die Gefährdung durch ungünstiges Klima, die Gefährdung durch Lärm oder Strahlung, Ergonomie, organisatorische Belastungsfaktoren und Behindertenbeschäftigung berücksichtigt. Auch psychische Belastungsfaktoren sollten, wie seit 2013 in §5 des Arbeitsschutzgesetz verankert, bei der Beurteilung eines Arbeitsplatzes stets mit aufgeführt und begutachtet werden, dies ist jedoch nur selten der Fall.

Die psychische Belastung am Arbeitsplatz kann aus einer Vielzahl an unterschiedlichen psychisch bedeutsamen Einflüssen heraus entstehen. Das können zum Beispiel die Arbeitsintensität oder die soziale Unterstützung am Arbeitsplatz sein. Oder aber die Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, sowie Umgebungsfaktoren wie Lärm, Beleuchtung und Geruch. Ein Arbeitsplatz ohne jegliche psychische Belastung ist somit kaum denkbar, doch je nach Ausprägung der Belastung, kann es zu einer gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkung kommen.

Warum allerdings all diese psychischen Belastungsfaktoren kaum in die Beurteilung von Arbeitsplätze mit einfließen, lässt sich durch verschiedenen Hypothesen genauer erläutern.

Ein möglicher Grund kann beispielsweise sein, dass die psychische Gesundheit auch heutzutage noch immer nicht genau so ernst genommen wird, wie die körperliche.

Für viele Arbeitgeber ist es offensichtlich, dass sie ihre Beschäftigten vor körperlichen Schäden wie Rückenproblemen, durch unergonomische Stühle, oder Hörproblemen, durch eine überhöhte Lärmbelastung schützen müssen. Im Sinne des Arbeitsschutzes sind hier einfache Maßnahmen zu ergreifen. Es müssen bequeme und funktionale Bürostühle gekauft werden oder den Mitarbeitern muss ein Gehörschutz zur Verfügung stehen, den sie, wie in einer erfolgten Sicherheitsbelehrung erwähnt wurde, angehalten sind zu tragen.
Doch, dass sich eine erhöhte Lärmbelastung nicht nur auf das Gehör direkt auswirkt, sondern auch auf psychischer Ebene Stress verursachen kann, der ebenfalls zu einer körperlichen oder auch psychischen Krankheit führen kann, wird häufig vergessen. Ein bisschen Stress, das ist doch nicht so schlimm, denken viele. Aber ein durch die Arbeit schwerhörig gewordener Kollege, der wird schon eher bedauert.

Denn es ist nicht nur so, dass uns die körperliche Gesundheit oft wichtiger und vor allem präsenter ist, als die psychische. Psychische Belastungen und Krankheiten sind häufig noch ein Tabu- Thema.
Auch deswegen ist es möglich, dass sich Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer nicht recht an dieses Thema heran trauen. Bei einer Mitarbeiterbefragung zur Evaluation von Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz, würden vermutlich, trotz Anonymität, wenn zum Beispiel per Fragebogen befragt wird, kaum Mitarbeiter angeben, dass sie sich durch die Arbeit psychischen Belastungen ausgesetzt fühlen.

Zudem ist die Beurteilung von psychischen Belastungen nicht einfach und rein objektiv zu betrachten. Bei Lärm beispielsweise, ist bekannt, ab wie viel Dezibel der Lautstärkepegel schädlich für das Gehör sein kann.
Doch Lärm gilt auch als psychischer Stressor. Auf dieser Ebene reagiert allerdings jeder Mensch unterschiedlich stark auf den Lärm. Was den Einen schon dauerhaft stresst, lässt einen Anderen womöglich völlig kalt und stellt für ihn keine psychische Belastung dar. Diese subjektiven Eindrücke zu bewerten und festzulegen, ab wann eine Belastung vorliegt, ist somit nicht ganz einfach. Auch deshalb ist es möglich, dass Unternehmen bei der Arbeitsplatzbewertung die psychischen Aspekte außer Acht lassen.

Hinzu kommt, dass es für Unternehmen mit hohem Aufwand verbunden ist, zusätzlich zu den bisherigen Feldern der Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze, nun die psychischen Belastungs- und Gefährdungsfaktoren mit einzubinden. Die Beurteilung der psychischen Belastungen sollte, wenn möglich, in bereits bestehende Strukturen des Arbeitsschutzes mit eingebunden werden. Zuerst müssen orientierende Messungen durchgeführt werden, anschließend müssen wissenschaftlich geprüfte Erhebungsverfahren angewendet werden, um belastbare Ergebnisse zu erhalten.
Bei den eng getakteten Arbeitszeiten der meisten Mitarbeiter und Führungskräfte sehen die Unternehmen möglicherweise auch aus Zeitgründen davon ab, solche Beurteilungen durchzuführen.

Eigentlich schützt die Gefährdungsanalyse psychischer Faktoren jedoch Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wenn nach dem Erkennen von Belastungsfaktoren Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um ein möglichst gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen. Denn psychische Belastung kann sich nicht nur hin zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Burn-Out entwickeln. Auch chronische Schmerzen, Magenschleimhautentzündungen oder Ähnliches können die Folge sein. Und das hat kranke und leistungsschwächere oder sogar arbeitsunfähige Mitarbeiter zur Folge, die sich kein Arbeitgeber wünscht.

Autor: Donato Muro

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