Neue Kolleginnen und Kollegen in der Arbeitssicherheit stellen mir häufig dieselbe Frage: Muss ich Arbeitsmittel vor der ersten Verwendung prüfen lassen? Die ehrliche Antwort lautet: Ja – aber gezielt. § 14 der Betriebssicherheitsverordnung verlangt keine pauschale „Großabnahme“ für alles, sondern eine passende Prüfung je nach Anlass. Wer das Prinzip versteht, spart Aufwand, verhindert Doppelarbeit und bleibt rechtssicher.
Worum es bei § 14 wirklich geht
§ 14 setzt vier klare Auslöser: vor der erstmaligen Verwendung, wiederkehrend, nach Änderungen und nach außergewöhnlichen Ereignissen. Entscheidend ist immer die Gefährdungsbeurteilung: Sie bestimmt, ob geprüft wird, wie tief geprüft wird und in welchen Fristen. Die Dokumentation ist Pflicht – mit Art der Prüfung, Umfang, Ergebnis und Prüfer.
Vor der ersten Verwendung – nur wenn die Montage sicherheitsrelevant ist
Eine Prüfung vor Erstverwendung ist nur vorgeschrieben, wenn die Sicherheit vom Aufbau oder der Installation abhängt. Dann muss eine zur Prüfung befähigte Person vor Ort prüfen, ob die Montage vorschriftsmäßig erfolgt ist, die Funktion sicher ist und die getroffenen Schutzmaßnahmen wirken. Inhalte, die der Hersteller bereits im Konformitätsbewertungsverfahren geprüft und dokumentiert hat (CE, DoC, Prüfberichte), werden nicht noch einmal wiederholt. Wichtig: Nach jeder erneuten Montage ist vor der Inbetriebnahme wieder zu prüfen.
Wiederkehrende Prüfungen – wenn Einflüsse die Sicherheit angreifen
Arbeitsmittel, die Verschleiß, Korrosion, Verschmutzung, UV‑Alterung, Witterung oder längeren Stillstandszeiten ausgesetzt sind, müssen wiederkehrend geprüft werden. Die Fristen legt die Gefährdungsbeurteilung so fest, dass der sichere Betrieb bis zur nächsten Prüfung gewährleistet ist. Ergibt eine Prüfung, dass das bis zur nächsten Frist nicht möglich ist, wird die Prüffrist neu bestimmt.
Änderungen und außergewöhnliche Ereignisse
Sobald sicherheitsrelevante Änderungen vorgenommen werden – etwa eine neue Software mit Einfluss auf Schutzfunktionen, geänderte Antriebe oder eine Funktionserweiterung – ist vor der nächsten Verwendung eine außerordentliche Prüfung fällig. Dasselbe gilt nach außergewöhnlichen Ereignissen wie einem Unfall, Umstürzen, Anfahren, längerer Nichtverwendung oder Naturereignissen (z. B. Sturm, Überflutung, Blitzschlag). Weiterbetrieb erst nach bestandener Prüfung.
Besonders prüfpflichtige Arbeitsmittel und Fristenlogik
Für die in Anhang 3 genannten Arbeitsmittel sind umfassende Prüfungen vorgeschrieben: vor der ersten Inbetriebnahme, vor jeder Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen und in wiederkehrenden Intervallen nach den dort genannten Vorgaben. Bei den Fälligkeiten gilt die Monats‑/Jahreslogik: Die nächste Frist beginnt mit dem Fälligkeitstermin der letzten Prüfung. Wird vorgezogen, startet die neue Frist mit Monat/Jahr der Durchführung; bei Prüffristen über zwei Jahren nur, wenn mehr als zwei Monate vor Fälligkeit geprüft wurde. Steht ein Arbeitsmittel zum Fälligkeitstermin außer Betrieb, darf es erst nach durchgeführter Prüfung wieder genutzt werden. Eine Prüfung gilt als fristgerecht, wenn sie spätestens zwei Monate nach Fälligkeit erfolgt. Diese Fälligkeitsregeln gelten nur für Arbeitsmittel nach Anhang 2 (Abschn. 2–4) und Anhang 3.
So entscheiden Sie in der Praxis
Die einfachste Denkreihenfolge lautet: Montageabhängigkeit – Einflüsse – Änderung – Ereignis. Ist die Sicherheit von der Montage abhängig, brauchen Sie vor Erstverwendung die Prüfung einer befähigten Person. Liegen schädigende Einflüsse vor, definieren Sie wiederkehrende Prüfungen mit passenden Fristen. Nach einer Änderung oder einem Ereignis veranlassen Sie eine außerordentliche Prüfung. In allen Fällen erstellen Sie eine klare Aufzeichnung und halten den Nachweis bei wechselnden Einsatzorten am Einsatzort bereit. Befähigte Personen arbeiten weisungsfrei; das ist so gewollt und schützt die Unabhängigkeit der Bewertung.
Beispiele, die jeder sofort einordnen kann
Büro: Eine neue Kaffeemaschine als gewöhnliches Steckgerät ist nicht montageabhängig. Hier genügt eine ordentliche Inbetriebnahme mit Sicht‑ und Funktionskontrolle sowie die organisatorischen Kontrollen im Betrieb; die große § 14‑Abnahme ist nicht erforderlich. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch, der vor Ort aufgebaut wird, ist dagegen montageabhängig: Standsicherheit, Endabschaltungen und Quetschschutz hängen vom Aufbau ab – deshalb Prüfung vor Erstverwendung durch eine befähigte Person. Mehrfachsteckdosen oder Bürodrucker sind in der Regel nicht montageabhängig; sie werden über die betrieblich festgelegten Kontrollen und – wo einschlägig – separate Fachregeln abgedeckt.
Baustelle: Der Baustromverteiler ist ein klassischer Fall von Montageabhängigkeit. Vor Erstverwendung und nach jeder erneuten Aufstellung wird geprüft, ob Aufbau und Funktion sicher sind und die Schutzmaßnahmen wirken. Ein fahrbares Gerüst fällt ebenfalls unter diese Logik: Nach der Montage oder Veränderung erfolgt die Prüfung, erst dann die Nutzung; im Betrieb folgen Sicht‑ und Funktionskontrollen. Anschlagmittel wie Ketten oder Schlingen sind nicht montageabhängig, unterliegen aber schädigenden Einflüssen wie Verschleiß – hier sind wiederkehrende Prüfungen Pflicht.
Lager: Eine Regalanlage ist ohne korrekte Montage nicht sicher. Vor der ersten Verwendung wird die vorschriftsmäßige Aufstellung einschließlich Verankerung geprüft; später folgen regelmäßige Kontrollen und Inspektionen gemäß Gefährdungsbeurteilung. Ein Flurförderzeug altert und verschleißt – daher liegen wiederkehrende Prüfungen nahe, ergänzt um die täglichen Kontrollen im Betrieb. Bei längerer Stillstandszeit des Lagers oder nach einem Anfahrschaden wird vor Wiederaufnahme des Betriebs außerordentlich geprüft.
Was nicht vergessen werden darf
Doppelte Prüfungen sind zu vermeiden. Was der Hersteller im Konformitätsbewertungsverfahren bereits geprüft und dokumentiert hat, wird nicht wiederholt. Vor Ort prüfen wir, was nur dort beurteilt werden kann: Montagezustand, reale Funktion und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen. Dokumentation ist kein Beiwerk, sondern Teil der Sicherheit. Ohne nachvollziehbares Protokoll bleibt eine Plakette wertlos. Und: Fristen sauber pflegen. Arbeiten Sie mit Monat/Jahr, nutzen Sie die Zwei‑Monats‑Toleranz nur als Ausnahme und sperren Sie Arbeitsmittel, die zum Fälligkeitstermin nicht geprüft sind, bis das nachgeholt ist.
Fazit
§ 14 BetrSichV ist kein Bürokratiemonster, sondern ein praxisnahes Steuerungsinstrument. Wer Montageabhängigkeit, schädigende Einflüsse, Änderungen und Ereignisse systematisch bewertet, legt passende Prüfungen fest, verhindert Ausfälle und bleibt rechtssicher. So wird aus „Muss das jetzt wirklich geprüft werden?“ eine klare Entscheidung – schnell, begründet, dokumentiert.
1) Muss ein neu aufgestellter Baustromverteiler vor der ersten Verwendung geprüft werden? Ja. Seine Sicherheit hängt von Aufstellung und Anschluss ab. Vor der Freigabe prüft eine befähigte Person Montagezustand, Funktion und ob die Schutzmaßnahmen vor Ort tatsächlich wirken. Nach jeder erneuten Aufstellung gilt das wieder.
2) Reicht bei der Erstprüfung eine Sichtprüfung – oder brauche ich Messungen? § 14 verlangt keinen festen Messkatalog. Entscheidend ist, dass du Montage, sichere Funktion und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen schlüssig nachweist. Wenn dazu Messungen nötig sind, setz sie ein; wenn eine eindeutige Funktionsprobe reicht, genügt sie. Doppelprüfungen vermeidest du, indem du Hersteller‑/CE‑Nachweise nicht erneut abprüfst.
3) Wer darf auf der Baustelle prüfen? Die „zur Prüfung befähigte Person“. Das ist jemand mit passender Berufsausbildung, Erfahrung und aktueller Tätigkeit auf dem Gebiet – fachlich weisungsfrei. Sie entscheidet, welche Prüftiefe vor Ort erforderlich ist, und dokumentiert das Ergebnis.
4) Fahrgerüst: Muss wirklich nach jeder Montage geprüft werden? Ja. Das Gerüst ist montageabhängig. Nach jeder Montage oder Änderung erfolgt die Prüfung durch eine befähigte Person. Im laufenden Betrieb organisierst du zusätzlich regelmäßige Sicht‑ und Funktionskontrollen.
5) Leitern und Tritte: Brauche ich eine Abnahme vor Erstverwendung? Nein. Leitern sind nicht montageabhängig. Trotzdem legst du wiederkehrende Prüfungen fest, weil auf Baustellen Verschleiß, Verformungen und beschädigte Holme auftreten. Häufige Nutzung und raue Umgebung verkürzen die Prüffristen.
6) Neu geliefertes Elektrowerkzeug (z. B. Bohrhammer): Erstprüfung nach § 14? Nicht als „große“ Abnahme. Du machst eine ordentliche Inbetriebnahme mit Sicht‑/Funktionscheck und organisierst im Betrieb regelmäßige Kontrollen. Die eigentliche Beurteilung, ob und wie gemessen wird, richtet sich nach deiner Gefährdungsbeurteilung und den einschlägigen Fachregeln außerhalb von § 14.
7) Anschlagmittel (Ketten, Schlingen, Traversen): Wie gehe ich vor? Vor Benutzung kontrollierst du Zustand und Kennzeichnung. Danach legst du wegen der schädigenden Einflüsse (Abrieb, Kerben, Korrosion) wiederkehrende Prüfungen durch eine befähigte Person fest. Ablegereife‑Kriterien gehören in deine Arbeitsanweisungen.
8) Krane, Hubarbeitsbühnen & Co.: Zählen die zu den „besonders prüfpflichtigen“ Arbeitsmitteln? Viele dieser Arbeitsmittel fallen unter die besonders prüfpflichtigen Kategorien aus Anhang 3. Dann gibt es eine umfassende Prüfung vor Erstinbetriebnahme, vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtiger Änderung und in festgelegten Intervallen. Höchstfristen dürfen nicht überschritten werden.
9) Software‑Update an einer Maschinensteuerung – ist das eine Änderung im Sinne von § 14? Wenn das Update Sicherheitsfunktionen, Grenzwerte oder das Schutzkonzept beeinflussen kann, ja. Dann ist vor der nächsten Verwendung eine außerordentliche Prüfung fällig. Gleiches gilt bei Antriebs‑ oder Komponentenwechsel oder beim Anbau neuer Einrichtungen.
10) Sturm, Überflutung, langer Stillstand – was dann? Außerordentlich prüfen, bevor weitergearbeitet wird. Naturereignisse, Umstürzen, Anfahren von Anlagen oder monatelange Nichtnutzung können Schutzfunktionen beeinträchtigen. Ohne dokumentierte Prüfung gibt es keine Freigabe.
11) Welche Prüffristen setze ich für die Baustelle? So, dass der sichere Betrieb bis zur nächsten Prüfung gewährleistet bleibt. Maßgeblich sind Beanspruchung, Umfeld und Nutzungshäufigkeit. Bei Arbeitsmitteln mit besonderen Pflichten hältst du die dort genannten Höchstfristen ein. Wenn eine Prüfung ergibt, dass es bis zur nächsten Frist nicht sicher reicht, verkürzt du die Frist.
12) Wie funktioniert die Fälligkeit mit Monat/Jahr und der „2‑Monats‑Toleranz“? Du führst Fälligkeiten immer als Monat/Jahr. Die neue Frist beginnt mit dem Fälligkeitstermin der letzten Prüfung. Eine Prüfung gilt noch als fristgerecht, wenn sie spätestens zwei Monate nach Fälligkeit durchgeführt wurde. Das ist eine Sicherheitslinie – kein Dauerpuffer.
13) Was dokumentiere ich mindestens? Art der Prüfung, Prüfumfang, Ergebnis sowie Name und Unterschrift der befähigten Person (elektronische Signatur möglich). Bei wechselnden Einsatzorten hältst du den Nachweis am Einsatzort bereit. Eine Plakette ohne Protokoll ist wertlos.
14) Reicht die CE‑Kennzeichnung als „Erstprüfung“? Nein. CE deckt die Hersteller‑Konformität ab. Vor Ort prüfst du das, was nur dort beurteilt werden kann: korrekte Montage, tatsächliche Funktion und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen im konkreten Aufbau. CE‑Inhalte prüfst du nicht doppelt.
15) Brauche ich speziell kalibrierte Prüfmittel? Du setzt geeignete Hilfsmittel und – falls nötig – Messgeräte ein, die für die Aufgabe taugen und deren Zustand nachvollziehbar ist. Ziel ist eine belastbare Aussage zu Montage, Funktion und Wirksamkeit. Behalte Kalibrier‑ bzw. Funktionsnachweise deiner Messgeräte im Blick und dokumentiere, womit geprüft wurde.
Drei schnelle Baustellen‑Beispiele
Baustromverteiler im Neubau: Der Elektriker stellt um, neue RCD‑Schutzeinrichtungen werden eingesetzt. Vor Freigabe prüft eine befähigte Person den konkreten Aufbau, die Funktion der Schutzorgane und die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen. Erst dann werden die Steckdosen freigegeben.
Fahrgerüst eines Nachunternehmers: Das Team versetzt das Gerüst um zwei Achsen und ändert die Belaghöhe. Vor der Nutzung prüft die befähigte Person Montagezustand, Verankerung/Abstützung, Zugänge und Geländer – dokumentiert, freigegeben, danach tägliche Sichtkontrolle.
Anschlagkette für Kranhub: Im Einsatz fallen Kerben an einem Kettenglied auf. Das Anschlagmittel wird sofort ausgesondert, eine befähigte Person bewertet den Schaden. Parallel werden die Prüffristen in der Gefährdungsbeurteilung überprüft und ggf. verkürzt, weil die Beanspruchung höher ist als angenommen.
Praxisleitfaden für Sicherheitsfachkräfte und befähigte Personen
1) Worum geht’s eigentlich?
Bei Entsorgungs- und Bauprojekten kommen vor allem zwei Systeme zum Einsatz:
Absetzkipper: Das Fahrzeug hebt den Behälter an, setzt ihn ab und kippt ihn zum Entleeren.
Abrollsystem (Wechsellader): Hier wird der Behälter über Rollen auf- und abgeladen. Das System ist auf einheitliche Maße abgestimmt, damit die Behälter austauschbar bleiben.
Beide Systeme sind in Normen und DGUV-Informationen klar beschrieben. Für uns in der Praxis geht es vor allem darum: Unfälle vermeiden, Schäden erkennen und die Technik sicher beherrschen.
Befähigte Personen sind speziell ausgebildet und beauftragt, Behälter und Fahrzeuge zu prüfen.
Nachweise gehören dazu: Prüfprotokolle oder Prüfbücher sind Pflicht – nicht nur ein Aufkleber auf dem Behälter.
3) Worauf beim Behälter achten?
Jeder Behälter und jede Wechsellader-Einrichtung braucht ein Typschild mit Angaben zu Hersteller, Baujahr, Gewicht und zulässiger Last. Auch eine Betriebsanleitung mit Hinweisen zur Nutzung und Wartung muss vorhanden sein. Fehlt das Schild oder ist es unleserlich → sofort ein Mangel!
4) Acht Grundregeln im Betrieb
Nur passende Behälter und Geräte kombinieren.
Abstützen – auch auf festem Untergrund, besonders bei Schräglage.
Gefahrenbereich immer freihalten.
Warneinrichtungen im Fahrerhaus ernst nehmen.
Ladungssicherung mit Netzen/Planen von sicherem Standplatz.
Kettengehänge gegen Schwenken sichern.
Kippvorgang beobachten – Einrasten muss sichtbar sein.
Fahrzeuge und Kippeinrichtungen: mindestens einmal im Jahr prüfen.
Behälter: ebenfalls mindestens einmal jährlich – bei starker Nutzung auch öfter.
Nachweis: Prüfprotokoll aufbewahren und mitführen, wenn die Behälter unterwegs sind.
6) Typische Mängel
Risse an Schweißnähten oder Kipplagern
Verbogene Aufhängezapfen
Defekte Türen, Klappen oder Verschlüsse
Fehlende Zurrpunkte oder beschädigte Rollen
Unvollständiges oder fehlendes Fabrikschild
Wer solche Schäden übersieht, riskiert Unfälle und rechtliche Probleme.
7) Sonderfälle im Blick
Kranbare Absetzbehälter: gelten als Lastaufnahmemittel, brauchen klare CE-Kennzeichnung und geprüfte Anschlagpunkte.
Mobile Abfallpressen: fallen unter die Maschinenverordnung und haben eigene Anforderungen an Sicherheit und Unterweisung.
8) Kurzcheck vor jeder Aufnahme
Behälter äußerlich prüfen (Risse, Verformungen).
Kipplager und Zapfen kontrollieren.
Fabrikschild vorhanden?
Netz oder Plane richtig angebracht?
Seitenanschläge korrekt eingestellt?
Fahrzeug abgestützt?
Gefahrenbereich frei?
Einrasten beim Kippen beobachten.
Transportstellung sichern.
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Dieser Fachartikel richtet sich an Sifa, SiBe und Verantwortliche, die Arbeitsplätze im Freien sowie nicht allseits umschlossene Bereiche rechtssicher und praxistauglich steuern wollen. Mit Platzhalter für meinen kostenlosen Online‑Kurs ganz unten.
1) Rechtsrahmen – kurz, klar, verbindlich
Die ASR A5.1, Ausgabe August 2025, konkretisiert die ArbStättV für Arbeitsplätze im Freien und in nicht allseits umschlossenen Arbeitsstätten. Wer die ASR einhält, kann die Erfüllung der Verordnung grundsätzlich vermuteten – klassischer Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene. Der Geltungsbereich umfasst die Gefährdungsfaktoren natürliche UV‑Strahlung, Niederschlag, Windkräfte sowie Gewitter/Blitzschlag. Maßnahmen werden nach TOP‑Prinzip festgelegt, Unterweisungen sind Pflicht, Beschäftigte haben mitzuwirken (§ 15 ArbSchG).
Hitze und Kälte regelt die ASR inhaltlich über ASTA‑Empfehlungen (Stand 21.08.2025). Diese sind fachliche Leitplanken ohne Vermutungswirkung – in der Praxis bewährt und vom Ausschuss für Arbeitsstätten getragen.
2) Beurteilen – die maßgeblichen Schwellen und Quellen
UV‑Strahlung (natürlich): Maßstab ist der UV‑Index (UVI) mit den Klassen: 1–2 gering, 3–5 mittel, 6–7 hoch, 8–10 sehr hoch, ≥ 11 extrem. Ab UVI 3 sind Schutzmaßnahmen zu planen; ab UVI 8 sind personenbezogene Maßnahmen zwingend (z. B. Kleidung, Brille, Hautschutz). Aktuelle/Prognose‑Werte liefert BfS/DWD.
Niederschlag: Beurteilung qualitativ in Intensitätsstufen A/B/C (A: normal, B: potenziell gefährdend, C: sehr/extrem gefährlich, i. d. R. DWD‑Unwetterwarnung). Bei Stufe C: Tätigkeiten im Freien einstellen, sofern Risiken nicht technisch/organisatorisch beherrschbar sind.
Windkräfte: Bewertung phänomenologisch per Beaufort‑Skala und Zuordnung zu Intensitätsstufen I–III (I: starker–steifer Wind, II: stürmisch–schwerer Sturm, III: orkanartig/Orkan). Ab II/III klare Einsatzgrenzen und Schutzorganisation.
Gewitter/Blitzschlag: Kurzfristig, lokal. Verfahren: optisch‑akustisch (Zeitdifferenz Blitz/Donner; < 10 s ≙ < 3,4 km → sehr hohe Gefahr) oder Feldstärke‑Messung. Freigabe erst 30 Minuten nach letztem Donner. Schutzziel: rechtzeitig sichere Orte.
Hitze (ASTA): Vereinfachtes Verfahren über Beurteilungstemperatur (Lufttemp. + Korrekturen für Arbeit, Kleidung, Sonne, Schwüle, Wind). > 26 °C: Maßnahmen sollen, > 30 °C: müssen, > 35 °C: Arbeit ohne zusätzliche Maßnahmen ungeeignet (wie Hitzearbeit). Getränkebereitstellung ist oberhalb der Schwellen geregelt.
Kälte (ASTA): Leitgröße Lufttemperatur mit Windbezug. Stufe 1: +5 bis −5 °C, Stufe 2: −5 bis −20 °C (Exposition max. 2 h, ≥ 25 min Aufwärmen), Stufe 3: < −20 °C (max. 1 h, ≥ 60 min Aufwärmen; ab Bft 6max. 30 min). Ab Bft 3 jeweils die nächste Stufe berücksichtigen.
3) Maßnahmen – konservativ nach TOP, so wie es sich bewährt hat
Technisch (T): Verschattung (Einhausungen/Segel), Wetterschutzwände, sichere Orte mit Blitzschutz, Windschutz, Rutschhemmung/Winterdienst, klimatisierte/geschlossene Kabinen, Aufwärmräume, lokale Heizer/Matten, adiabate/ventilative Entwärmung.
Organisatorisch (O): Arbeitszeiten an Wetter anpassen (Morgen/Abend), Tätigkeiten/Lasten verteilen, Rotation Warm/Kalt bzw. Kühl/Heiß, Entwärmungs‑ und Aufwärmzeiten fest verankern, Warn‑ und Alarmwege, Alleinarbeit bei Stufe 3 Kälte vermeiden.
Personenbezogen (P): Kleidung nach 3‑Schichten‑Prinzip, Kopfschutz, Sonnenbrille/LSF 50+ ab UVI‑Schwellen, Getränke (100–150 ml alle 15–30 min bei Hitze), Verhalten anpassen, Symptome melden; bei Blitz Gefahr sofort sichere Orte aufsuchen.
4) Praxisbeispiele (klassische Einsatzlagen)
Sommer, UVI 8, 32 °C, pralle Sonne, Bft 3: Verschattung und Pausenräume kühlen, schwere Arbeiten in Morgenstunden, Getränke und Entwärmungsphasen verpflichtend, PSA: Kopfschutz/Nackenschutz, Sonnenbrille, LSF 50+. Beurteilungstemperatur über Korrekturwerte ermitteln und Maßnahmen gemäß Stufe ≥ 3 anordnen.
Winter, −10 °C, Bft 4:Kältestufe 2, wegen Wind Stufe 3‑Maßnahmen mitplanen; Exposition 1 h, ≥ 60 min Aufwärmen, Warmraum/Wechselkleidung bereitstellen; Alleinarbeit vermeiden.
Gewitter in Anmarsch: Warnung an alle, Tätigkeiten stoppen, sichere Orte (Gebäude mit innerem/äußerem Blitzschutz oder geschlossene Fahrzeuge/Kabinen) aufsuchen; Freigabe 30 Min. nach letztem Donner.
5) Unterweisung, Vorsorge, Dokumentation
Unterweisungen kombiniert (UV, Hitze, Kälte, Niederschlag, Wind/Blitz), klare Verhaltensregeln und Alarmierungen. AMR 13.3 bei intensiver UV‑Belastung prüfen. Mess‑/Wetter‑Protokolle führen, Entscheidungen dokumentieren, Prozesse jährlich nachschärfen.
Gilt die ASR A5.1 auch für halb offene Hallen? Ja. Nicht allseits umschlossene Arbeitsstätten fallen in den Anwendungsbereich; witterungsbedingte Einwirkungen sind wie im Freien zu beurteilen.
Ab wann muss ich bei UV handeln? Ab UVI 3 Maßnahmen planen; ab UVI 8 personenbezogene Maßnahmen sind Pflicht. Daten über BfS/DWD.
Welche Hitze‑Schwellen sind maßgeblich? > 26 °C sollen, > 30 °C müssen Maßnahmen umgesetzt werden; > 35 °C ist der Bereich ohne zusätzliche Maßnahmen ungeeignet (wie Hitzearbeit).
Wie lange darf bei strenger Kälte gearbeitet werden? Richtwerte: Stufe 2 max. 2 h + ≥ 25 min Aufwärmen; Stufe 3 max. 1 h + ≥ 60 min, bei Bft 6max. 30 min.
Wann darf ich nach einem Gewitter weiterarbeiten? Erst 30 Minuten nach dem letzten Donner – sichere Orte und Alarmwege sind vorab festzulegen.
Autor
Donato Muro – Sicherheitsingenieur (M. Eng.), Jurist (LL.M.), Fachwissenschaftler für Toxikologie. Praxisorientierter Arbeitsschutz mit klassischer, bewährter Methodik.
Auf einer Einfamilienhaus‑Baustelle ließ der Bauleiter die Abdeckung des Treppenauges entfernen. Die Öffnung blieb ungesichert. Ein Bauhelfer eines anderen Gewerkes stürzte rund 2,5 m in den Keller und wurde verletzt. Die Berufsgenossenschaft (BG) zahlte – und nahm Bauträger und Rohbauunternehmen in Regress. Das OLG Frankfurt bestätigte die Haftung beider, obwohl die Sicherungspflicht vertraglich an den Rohbauer übertragen war. Mitverschulden von Bauhelfer und Arbeitgeberin:
Die drei Lehren – ohne Juristendeutsch
1) Delegation schützt nicht vor Verantwortung
Auch wenn Sicherheitsaufgaben vertraglich „wegdelegiert“ werden: Der Besteller/Bauträger trägt weiter Schutzpflichten aus dem Werkvertrag. Er muss Arbeitsräume/Arbeitsplätze sicher zur Verfügung stellen – auch für Beschäftigte von Nachunternehmern. Rechtlich basiert das auf §§ 618/619 BGB (Fürsorgepflicht; keine Vorabbeschränkung) und der vertraglichen Haftung nach § 280 BGB. Der Bauleiter handelt als Erfüllungsgehilfe – sein Versäumnis wird dem Bauträger zugerechnet (§ 278 BGB). Genau das hat das OLG Frankfurt betont.
Praxis‑Tipp: Delegation ist nur belastbar, wenn Zuständigkeit, Eignung, klare Anweisung und Kontrolle dokumentiert sind. Ohne Nachweis bleibt die Verantwortung beim Auftraggeber hängen. (Mehr dazu unten im „Delegations‑Check“.)
2) Wer die Gefahr schafft, muss sichern
Die Mitarbeiter des Rohbauers entfernten die Abdeckung – damit hatten sie die Sachherrschaft über die Gefahrenstelle. Ergebnis: eigene Verkehrssicherungspflicht und Haftung des Rohbauunternehmens über § 831 BGB (Verrichtungsgehilfe). Ein „der Bauleiter hat’s gesagt“ entlastet hier nicht, solange die Tätigkeit im eigenen Aufgabenbereich liegt.
Praxis‑Tipp:Öffnen = Sichern. Wer eine Abdeckung abnimmt, stellt sofort eine normgerechte Sicherung her (Umwehrung/Abdeckung) oder übergibt schriftlich an einen Verantwortlichen – mit Ersatzmaßnahme.
3) UVV/ASR geben den Mindeststandard vor
Auf Baustellen sind Öffnungen in Böden/Decken zwangsläufig zu sichern (DGUV Vorschrift 38, § 10). Bewegliche Abdeckungen und Umwehrungen dürfen nur aus der Schutzstellung gebracht werden, wenn gleichzeitig andere Schutzmaßnahmen greifen (ASR A2.1). Diese Regeln definieren den Mindeststandard der Verkehrssicherung.
Praxis‑Tipp: Bei Innenausbau‑Starts immer Freigabe für Öffnungen: Ist die Abdeckung weg, muss eine feste, gegen Verschieben gesicherte Abdeckung oder eine Umwehrung stehen – dokumentiert mit Foto und Datum.
Der Fall – kurz erklärt, damit es sitzt
Bauträger beauftragte Rohbauer und Stuckateur.
Bauleiter veranlasste das Entfernen der Treppenabdeckung, ohne Nachkontrolle.
Rohbauer sicherte die Öffnung nicht wieder.
Bauhelfer des Stuckateurs betritt den dunklen Rohbau, weicht Material aus, stürzt ins offene Treppenauge.
BG erkennt 30 % MdE, nimmt Bauträger und Rohbauer in Regress (§ 116 SGB X). Gericht: Haftung 2/3 bei Bauträger/Rohbauer, 1/3 Mitverschulden Bauhelfer/Arbeitgeberin (§ 254 BGB).
Warum die Kürzung um 1/3? Der Helfer bewegte sich im unbeleuchteten Rohbau ohne gesicherte Kenntnis über den Zustand. Sein Arbeitgeber schickte ihn ohne Gefährdungsbeurteilung/Unterweisung. Das mindert den Anspruch – hebt aber die Kernverantwortung der Verursacher (Bauträger/Rohbauer) nicht auf.
Rechtlicher Hintergrund – in „Alltagssprache“
Vertragliche Haftung: Wer einen Auftrag vergibt, muss für sichere Bedingungen sorgen (§§ 618/619 i. V. m. § 280 BGB). Das gilt auch zugunsten der Beschäftigten von Nachunternehmern („Schutzwirkung für Dritte“). Der Bauleiter ist Erfüllungsgehilfe: Sein Fehler = Ihr Fehler (§ 278 BGB).
Deliktische Haftung: Bestellt ein Unternehmen Leute, die in seinem Auftrag handeln, haftet es für deren Fehlverhalten, sofern keine sorgfältige Auswahl/Instruktion/Überwachung nachgewiesen wird (§ 831 BGB).
BG‑Regress: Nach Unfällen gehen Ansprüche des Verletzten gegen Dritte auf die BG über (§ 116 SGB X). Deshalb fordert die BG die Kosten zurück.
Technische Regeln: DGUV Vorschrift 38 § 10 (Öffnungen sichern), ASR A2.1 (Schutz vor Absturz) konkretisieren, wie gesichert wird.
Delegations‑Check
So wird aus „übertragen“ tatsächlich „entlastend“:
Zuständigkeit glasklar: In der Baustellenordnung steht wörtlich, wer Öffnungen sichert – mit Vertretung bei Abwesenheit.
Eignung belegen: Fachkunde und Unterweisung der Beauftragten dokumentieren (Datum, Inhalte, Unterschrift).
Konkrete Anweisung: „Abdeckung abgenommen? → Umwehrung Typ XY montieren; Kennzeichnung; Zutritt nur für …; Foto‑Nachweis.“
Kontrolle: Bauleitung prüft, dokumentiert Mängel und Fristen. Ohne Kontrolle keine echte Delegation (Stichwort: Erfüllungsgehilfe § 278 BGB).
Praxis‑Tipp: Legen Sie eine Freigabe‑Karte „Treppenauge“ an (QR‑Formular reicht): Anlass, Ort, Sicherungsart, Verantwortliche, Ersatzmaßnahme, Info an Folgegewerke, Fotos, Gültigkeit.
Saubere Baustelle: so vermeiden Sie den Klassiker „offenes Treppenauge“
Vor jedem Gewerkwechsel (z. B. Innenputz): kurze Begehung + Freigabe. Merksatz: „Wer öffnet, sichert – bis zur schriftlichen Übergabe.“
Technik vor Orga: feste Abdeckungen/Umwehrungen zuerst, dann Kennzeichnung und Zutrittsregeln (ASR‑Prinzip).
Dunkle Bereiche meiden: Beleuchtung herstellen oder sperren. „Blindes“ Betreten ist kein Arbeitsstil, sondern Risiko – und am Ende teuer.
Fremdfirmen informieren: Statusänderungen (Abdeckung entfernt) proaktiv an alle Folgegewerke melden – kurz, schriftlich.
Unterweisen, nicht nur unterschreiben lassen: Auftrag, Restgefahren und Verhalten im Rohbau klar erläutern; Wiederholung bei Änderungen.
Warum das wichtig ist – in Euro gedacht
BG‑Regresse umfassen Heilbehandlung, Renten, MdE‑Leistungen. Summen laufen über Jahre. Wer Organisation, Delegation und Sicherung nachweisbar im Griff hat, senkt das Haftungsrisiko spürbar. Rechtsgrundlage: § 116 SGB X (Anspruchsübergang), § 254 BGB (Mitverschulden – aber keine Rettungsinsel).
Kurz‑Fazit
Das OLG Frankfurt bestätigt, was auf Baustellen seit jeher gilt: UVV/ASR sind Mindeststandard.Delegation braucht Kontrolle.Wer öffnet, sichert. Wer das beherzigt – und sauber dokumentiert – hält sein Unternehmen aus Regress und Ärger.
Diskrete Unterstützung
Sie wollen Ihre Pflichtenübertragung praxistauglich aufsetzen, Sicherungs‑SOPs (Öffnungen, Kanten, Schächte) einführen oder GA/Unterweisungen schlank dokumentieren? Wir bauen das mit Ihnen auf – von der Baustellenordnung bis zum Freigabe‑Workflow, revisionssicher und ohne Overhead.
Quellen: OLG Frankfurt, Urt. v. 27.10.2021 – 12 U 293/20 (Sturz in ungesicherte Treppenöffnung). DGUV Vorschrift 38 „Bauarbeiten“, § 10 Sicherung von Öffnungen/Vertiefungen. ASR A2.1 „Schutz vor Absturz“ (BAuA). ArbSchG §§ 3, 5, 12 – Organisation, Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung. BGB §§ 278 (Erfüllungsgehilfe), 831 (Verrichtungsgehilfe), 254 (Mitverschulden). SGB X § 116 – Anspruchsübergang auf den Unfallversicherungsträger.
Für Verantwortliche im Arbeits‑ und Gesundheitsschutz
Worum es geht – kurz & klar
Bei Arbeiten an hochchromlegierten Stählen können sich unter bestimmten Bedingungen Chrom(VI)-Verbindungen (Chromate/Chromtrioxid) bilden – krebserzeugend (Kat. 1B), mutagen, reproduktionstoxisch. Typisches Warnsignal: gelbliche Ablagerungen (häufig Calciumchromat) an Bauteilen, Dämmstoffen oder Schraubverbindungen. Begünstigende Faktoren sind 350–800 °C, Sauerstoff, und alkali-/erdalkalihaltige Dämmstoffe oder Montagepasten. Das ist nicht Theorie, sondern durch Realfunde und Messungen in Anlagen (u. a. Kraftwerke, MVA, Industrieöfen) belegt.
TRGS 561: Maßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Metallen und ihren Verbindungen – gilt hier unmittelbar.
TRGS 560: Luftrückführung nur unter strengen Bedingungen; bei krebserzeugenden Stäuben grundsätzlich restriktiv handhaben.
TRGS 900: AGW‑Systematik; für krebserzeugende Stoffe steht risikobezogenes Vorgehen im Vordergrund (nicht „sichere“ Schwelle).
TRGS 910 – Begründung Chrom (VI): Epidemiologie stützt den Richtwert: Langzeit‑Mittelwert 1 µg/m³ Cr(VI) (40 Jahre) entspricht Exzess‑Lungenkrebsrisiko ~4:1000. Das ist die belastbare Größenordnung für die Beurteilung.
REACH/ROHS: Zahlreiche Chrom(VI)‑Verbindungen sind zulassungspflichtig (Anhang XIV), Hexavalentes Chrom ist nach RoHS in EEE beschränkt.
Wo das Problem praktisch auftritt
Heißleitungen, Turbinengehäuse, Dampfdruckleitungen, Ofen‑ und Abgasstrecken.
Flansch‑ und Schraubverbindungen aus hochlegierten Stählen; Montagepasten mit Calcium/Magnesium; Mineral‑/Hochtemperatur‑Glaswolle als Dämmung.
Revisions‑ und Isolierarbeiten, Ent- und Wiedereinpacken, Öffnen von Gehäusen/Flanschen, Abisolieren von Dämmung, Schleif‑/Reinigearbeiten. Auffällig: gelbe, pulverige/klebrige Beläge → Chrom(VI) ist möglich; mehrere BG‑Messdienste berichten inhalative Exposition bei Tätigkeiten an belasteten Oberflächen.
STOP – bewährtes Vorgehen ohne Experimente
S – Substitution
Dämmstoffe/Montagepasten ohne alkali-/erdalkalimetallhaltige Oxide bevorzugen (sofern technisch möglich und geringere Toxizität belegt). Dokumentierte Ersatzstoffprüfung (TRGS 600).
T – Technisch
Staubarmes Arbeiten; sichtbare Beläge abgesaugen (Staubklasse H, DIN EN 60335‑2‑69), keine Druckluft.
Bereiche abdecken (z. B. Folien auf Gitterrosten), um Kontamination darunterliegender Arbeitsplätze zu verhindern.
Luftrückführung vermeiden; wenn unvermeidbar, nur nach TRGS 560 (Filterkonzept, Freigabe).
Erlaubnisschein/Arbeitsfreigabe für Heißarbeiten, Demontagen, Isolierarbeiten in betroffenen Bereichen.
Kennzeichnung/Absperrung bei Verdachtsflächen („Chrom(VI) – krebserzeugend“).
Probenahme & Beurteilung durch BG‑/Ländermessstellen oder akkreditierte Labore; Wisch‑/Materialproben nach standardisierten Verfahren. BG ETEM koordiniert die Thematik.
P – Persönlich
PSA: Typ‑5 Anzug (EN ISO 13982‑1) mit Kapuze, FFP3 (oder höherwertiger Atemschutz je Tätigkeit), Korbbrille, nitrilbeschichtete Textilhandschuhe; kontaminierte Einweg‑PSA entsorgen.
Arbeitsplatzbezogene Unterweisung inkl. Erkennen gelblicher Beläge und Vorgehen bei Fund. (BG‑Empfehlungen)
Umgang mit Kontaminationen
Beläge nicht trocken lösen. Zuerst H‑Staubsauger, dann feucht binden.
Reduktionslösungen können Chrom(VI) → Chrom(III) überführen und so Exposition/Verschleppung mindern; Materialverträglichkeit prüfen, keine Wirksamkeitsgarantie für komplette Dekontamination – Nachmessung erforderlich.
Entsorgung als gefährlicher Abfall gem. Nachweisführung.
Mess‑ und Bewertungsmaßstab
Ziel ist dauerhaft unter risikobezogenen Maßstäben zu bleiben. Orientierung: 1 µg/m³ Cr(VI) (Langzeit‑Mittelwert, 40 Jahre) ≈ zusätzlich ~4/1000 Lungenkrebsfälle. Unterhalb liegt das Risiko niedriger, aber nicht Null. Strategische Planung an diesem Maßstab ausrichten (Technik/Organisation/PSA/Monitoring).
Typische Fehler – bitte vermeiden
Gelbe Beläge abblasen oder trocken abbürsten.
Belastete Dämmstoffe ohne Abschottung/Unterdruck abziehen.
Luftrückführung ohne TRGS‑560‑Freigabe.
„AGW‑Denke“ auf krebserzeugende Stoffe übertragen (statt risikobezogen nach TRGS 910/561 zu handeln).
Wirksamkeitskontrolle: Nachreinigung, Freigabe dokumentieren, Lessons Learned in GA/Unterweisung zurückspielen.
Warum das Thema jetzt wichtig ist
Die BG‑Branchen berichten reale Funde und arbeitsplatzbezogene Expositionen – nicht nur aus der Galvanik, sondern auch aus Kraftwerken, Industrieöfen und Anlagen mit hochlegierten Stählen. Betreiber sind in der Pflicht: Gefährdungen ermitteln, Maßnahmen festlegen, Wirksamkeit prüfen – exakt das, was das Arbeitsschutzrecht verlangt.
Quellen (Auswahl)
BG ETEM – Mögliche Chrom(VI)-Exposition (Stand 30.05.2025) und Fachinformationen.
BG BAU – Chrom(VI)-Verbindungen an Edelstahl (Bedingungen, gelbe Beläge).
REACH Anhang XIV (ECHA); RoHS 2011/65/EU (EU‑Kommission).
Schluss
Kein Alarmismus – aber konsequentes, klassisches Arbeitsschutz‑Handwerk: STOP umsetzen, sauber messen, dokumentieren, unterweisen. Dann bleibt das Risiko beherrschbar – auch bei komplexen Anlagen mit hochlegierten Stählen.
Flanschenarbeit ist Handwerk. Gut gemacht, ist sie unsichtbar – schlecht gemacht, ist sie sofort spür‑ und messbar: Leckage, Verbrühung, Brand, Stillstand. Wer Flanschenschulungen leitet, muss die bewährten Regeln kennen und konsequent vermitteln.
1) Freigabe & LOTO: Ohne Trennstellenkontrolle keine Schulungspraxis
Freigabeverfahren/Arbeitserlaubnis: Für Arbeiten mit besonderen Gefahren ist ein dokumentiertes Freigabeverfahren Pflicht. Unterweisung, Unterschriftskompetenzen, Gültigkeitsdauer und Änderungen am Prozess sind zu regeln. Ohne gültigen Schein keine Arbeit.
Isolationsplan (Trennstellenplan): Zeigt wie der zu öffnende Abschnitt sicher isoliert und entspannt wird; inkl. Spül‑/Entleeranschlüssen.
Lockout/Tagout: Armaturen und Energien mechanisch sichern und optisch kennzeichnen (persönliche Schlösser, Gruppenverschlusskasten, eindeutige Tags). Das Verfahren muss betriebsweit beschrieben, unterwiesen und „gelebt“ werden.
Trainer‑Merksatz:„Trennen – Sichern – Kennzeichnen – Prüfen – erst dann öffnen.“
2) Trennmethoden für Flanscharbeiten: klassisch, sicher, normgerecht
Die Wahl hängt vom Gefährdungspotenzial (Druck, Temperatur, Medium, Menge) ab. Bewährte Methoden:
DBB – Double Block & Bleed: zwei Absperrorgane mit gesicherter Zwischenentspannung. Dichtheit beider Absperrungen prüfen; Entspannung nicht im Arbeitsbereich ausblasen.
Steckscheiben/Brillensteckscheiben: Deutlich erkennbar, passend in Werkstoff, Druck- und Temperaturklasse; Dichtungen beidseitig passend wählen.
Blindflansche: robuste, eindeutig erkennbare Trennstellen; Werkstoff/PN/Class zur Rohrleitung passend.
Normbezug für Trainer: Flanschsysteme und Dichtungen immer im Spannungsfeld der Normen schulen: DIN EN 1092‑1 (Stahlflansche), EN 1514 (PN‑Dichtungen), EN 12560 (Class‑Dichtungen), EN 1515 (Schrauben & Muttern) sowie EN 14772 (QS‑Prüfung von Dichtungen). Aktualisierte Ausgabestände beachten (z. B. EN 1514‑1:2024‑10; EN 12560‑1:2024‑10).
3) Drucklos, sauber, inert: Medienbeherrschung vor Mechanik
Vor dem Öffnen: Entleeren, Spülen, Entspannen; Spülerfolg messen (z. B. pH bei Säuren/Basen). Ablagerungen und Reaktionen mit Luft/Feuchtigkeit (pyrophor, toxisch) bewerten; ggf. trocknen oder inertisieren. Inertgase können erstickend wirken – Sauerstoff messen, Atemschutz abwägen.
4) PSA & Notfallvorsorge: Schutz zuerst, dann Schraube
PSA‑Auswahl nach Stoff und Tätigkeit (Gesichtsschutzschirm + Korbbrille bzw. Vollmaske; geeignete Chemikalienschutzhandschuhe; Ableitfähigkeit/ESD im Ex‑Kontext; ggf. Hitzeschutz/PSAgA). Unterweisung praktisch.
Notfallvorsorge: Augendusche/Notdusche, Feuerlöscher, Antidote/Erste Hilfe, Rettungswege, Meldekette – vor Arbeitsbeginn festgelegt und geübt.
5) So öffnen Profis eine Flanschverbindung – Schrittfolge, wie seit Jahren bewährt
Sicherer Standplatz, Bereich abgesperrt; Rohrleitungsteile gegen Pendeln/Wegschnellen sichern.
Seitlich arbeiten, möglichst unter Augenhöhe.
Zuerst die vom Körper abgewandte Schraubenseite lösen, dann übrige Schrauben nur lockern.
Flanschspreizer/Keile nutzen, um Dichtung zu lösen.
Austritt kontrollieren; erst bei tropfenfreiem Zustand Schrauben entfernen.
Finger gegen Einklemmen sichern (Distanzstücke).
Bei Verspannung Dorn/Hubzug einsetzen; bei Sonderwerkzeugen (Heißarbeiten, Hydraulikschrauber, Mutternsprenger) Freigabe neu bewerten.
6) Dichtheitsprüfung nach dem Schließen: Beweisen, nicht glauben
Nach dem Wiederzusammenbau Dichtheit prüfen – Verfahren nach Medium/Anforderung wählen:
Blasenprüfung (EN 1593) mit zertifiziertem Prüfmittel,
Vakuumglocke,
Druckhalteverfahren,
Druckdifferenzverfahren (EN 13184),
Prüfgas Helium (EN ISO 20485) für erhöhte Anforderungen.
Normbrücke für Trainer: Bei Auswahl und Dokumentation auf EN 14772 (QS‑Prüfung Dichtungen) und die jeweils passenden EN 1514/EN 12560‑Teile verweisen. Schrauben‑/Mutternwahl nach EN 1515 (inkl. Teil 4 zur Druckgeräterichtlinie).
Wer Mitarbeitende ausbildet, prüft und beurkundet, braucht neben Fachnormen didaktische Routine: klare Lernziele, Demopraxis am Flansch, Checklisten, Fehlerbilder, Prüfprotokolle – und die Fähigkeit, Regelwerk in Handgriffe zu übersetzen. Unser Train‑the‑Trainer‑Programm für Flanschenschulung setzt genau hier an: Modularer Aufbau (Grundmodul Didaktik + Fachmodule Flansch/Dichtung/Schraubfall), Praxisstationen (DBB, Steckscheiben, Blindflansch, Dichtheitsprüfung) und aktuelles Normen‑Update für Ihre Unterlagen. Teilnahme mit prüfbarer Urkunde – auf Wunsch mit Urkunden‑Check zur Verifizierung. Zielgruppe: bereits qualifizierte Praktiker*innen, die intern oder extern maßgeschneiderte Seminare nach DIN‑/EN‑Stand vermitteln wollen. https://flanschen.org/train-the-trainer-fuer-flanschenschulung/
Fazit
Gute Flansch‑Trainer lehren keine Abkürzungen, sondern bewährte Reihenfolgen – Freigabe, LOTO, sichere Trennung, Medienbeherrschung, PSA, sauberes Öffnen/Schließen, prüfbare Dichtheit und klare Betriebsanweisung. Genau diese Linie – klassisch, normbasiert, nachvollziehbar – macht Anlagen sicher und Schulungen belastbar. Wenn Sie Ihr Programm ausbauen oder standardisieren möchten: Train‑the‑Trainer Flanschen – praxisnah, normfest, mit Urkunde. https://flanschen.org/train-the-trainer-fuer-flanschenschulung/
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