Geplante Änderungen der Gefahrstoffverordnung – Was Sicherheitsverantwortliche und Unternehmen wissen müssen
Datum: 10.10.2024
Ende August 2024 hat das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung vorgelegt, der erhebliche Neuerungen im Arbeitsschutz mit sich bringt. Im Fokus steht die Prävention arbeitsbedingter Krebserkrankungen und der Schutz der Beschäftigten vor gefährlichen Stoffen – insbesondere Asbest und krebserzeugenden Substanzen. Für Sicherheitsfachkräfte (SIFAs), Sicherheitsbeauftragte (SIBEs) und Geschäftsführer bedeutet dies, dass sie sich frühzeitig auf die neuen Anforderungen einstellen müssen, um ihre Unternehmen rechtlich abzusichern und die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen.
Was wird geändert?
Die geplante Änderung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) zielt darauf ab, das risikobezogene Maßnahmenkonzept bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorien 1A und 1B zu stärken. Dieses Konzept, das bereits seit 2008 existiert, koppelt die Anforderungen an Schutzmaßnahmen an das statistische Risiko, das mit der jeweiligen Tätigkeit verbunden ist. Neu ist die verbindliche Einführung von Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen. Diese Grenzwerte helfen dabei, die Exposition der Beschäftigten gegenüber krebserzeugenden Stoffen besser einzuordnen und die richtigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Zusätzlich wird eine Regelung eingeführt, die von Arbeitgebern verlangt, ein Expositionsverzeichnis für reproduktionstoxische Stoffe der Kategorien 1A und 1B zu führen. Dies dient nicht nur der besseren Dokumentation, sondern auch dem Schutz der Mitarbeiter im Fall späterer Erkrankungen.
Fokus auf Asbest: Mehr Schutz bei Arbeiten an älteren Gebäuden
Ein zentrales Element der neuen Verordnung ist der Umgang mit Asbest. Trotz des seit 1993 bestehenden Verbots asbesthaltiger Materialien treten bei Renovierungs- und Abbrucharbeiten in älteren Gebäuden weiterhin asbestbedingte Gesundheitsgefahren auf. Die Unfallversicherungsträger verzeichnen nach wie vor eine hohe Zahl von asbestbedingten Berufskrankheiten und Todesfällen. In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 30.000 Fälle von asbestbedingten Berufskrankheiten anerkannt, mit über 16.000 Todesfällen.
Die geplanten Änderungen schreiben vor, dass Bauherren und Auftraggeber künftig genau angeben müssen, wann ihr Gebäude errichtet wurde. Für Gebäude, die vor dem 31. Oktober 1993 gebaut wurden, besteht eine erhöhte Asbestrisiko-Wahrscheinlichkeit. Diese Information muss den ausführenden Firmen vor Beginn der Arbeiten schriftlich oder elektronisch vorgelegt werden. Liegen diese Daten nicht vor, muss der Bauherr sie mit vertretbarem Aufwand, beispielsweise beim zuständigen Bauamt, beschaffen.
Für Unternehmen bedeutet dies: Wer Bau- oder Sanierungsarbeiten durchführt, muss diese Informationen vor dem Arbeitsbeginn unbedingt einholen. Das Versäumnis könnte nicht nur zu Gefahren für die Mitarbeiter führen, sondern auch zu rechtlichen Konsequenzen.
Risikobasierte Gefährdungsbeurteilung: Was ändert sich?
Ein wichtiger Teil der geplanten Änderungen betrifft die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes. Arbeitgeber müssen künftig neben den klassischen Arbeitsplatzgrenzwerten auch die neuen Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen in ihre Beurteilung einfließen lassen. Diese Konzentrationswerte bestimmen, ob eine Exposition als akzeptabel, mittleres Risiko oder hohes Risiko eingestuft wird. Die Toleranzkonzentration markiert die Grenze, ab der das Risiko als nicht mehr tolerierbar gilt.
Unternehmen, die mit Gefahrstoffen arbeiten, müssen daher sicherstellen, dass ihre Gefährdungsbeurteilungen stets auf dem neuesten Stand sind und die neuen Anforderungen berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren und regelmäßig zu aktualisieren – insbesondere bei Tätigkeiten im Bereich „mittleres“ oder „hohes“ Risiko.
Praktische Tipps für Sicherheitsverantwortliche und Geschäftsführer
Die Anpassung der Gefahrstoffverordnung bringt neue Verpflichtungen, aber auch klare Leitlinien für den betrieblichen Arbeitsschutz. Hier sind einige Schritte, die du als Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragter oder Geschäftsführer in deinem Unternehmen berücksichtigen solltest:
- Überprüfung der aktuellen Gefährdungsbeurteilung: Gehe sicher, dass deine Gefährdungsbeurteilungen bereits die risikobasierten Maßnahmen beinhalten und überprüfe, ob Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen korrekt einbezogen wurden.
- Schulungen und Weiterbildungen: Es wird notwendig sein, deine Mitarbeiter und Kollegen im Umgang mit der neuen Gefahrstoffverordnung zu schulen. Besonders in der Bau- und Instandhaltungsbranche sollten regelmäßig Schulungen zur sicheren Asbesthandhabung durchgeführt werden.
- Dokumentation und Expositionsverzeichnisse führen: Unternehmen müssen ein Expositionsverzeichnis führen, in dem die Tätigkeiten sowie die Höhe und Dauer der Expositionen von Mitarbeitern festgehalten werden. Dieses Verzeichnis ist für mindestens 40 Jahre aufzubewahren.
- Anforderungen an persönliche Schutzausrüstung (PSA): Überprüfe, ob die eingesetzten Schutzausrüstungen den aktuellen europäischen Anforderungen entsprechen. Neue Regelungen zur PSA-Benutzungsverordnung werden diesbezüglich eingeführt.
- Kooperation mit Bauherren: Vor jeder Arbeit an einem älteren Gebäude sollte der Bauherr dir die relevanten Informationen über das Baujahr und potenziell vorhandene Gefahrstoffe zur Verfügung stellen. Achte darauf, dass alle rechtlichen Vorgaben erfüllt sind, bevor die Arbeit beginnt.
- Vorausschauende Planung: Da viele dieser Änderungen an die EU-Rechtsvorgaben gekoppelt sind, könnte es in den kommenden Jahren zu weiteren Anpassungen kommen. Es ist sinnvoll, vorausschauend zu planen und schon heute Systeme zur Dokumentation und Kontrolle von Gefahrstoffen zu implementieren, um zukünftige Anforderungen problemlos erfüllen zu können.
Rechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Die Nichtbeachtung der neuen Vorschriften kann erhebliche Folgen haben. Unternehmen, die keine angemessenen Schutzmaßnahmen treffen oder die Expositionsverzeichnisse nicht führen, laufen Gefahr, bei Unfällen oder Erkrankungen rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Verstöße gegen die Gefahrstoffverordnung können mit hohen Bußgeldern geahndet werden, und es besteht das Risiko von Haftungsansprüchen seitens der Mitarbeiter.
Wie geht es weiter?
Der Entwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren. Der Bundesrat wird sich in den kommenden Monaten mit den Vorschlägen befassen. Es bleibt abzuwarten, wann die neuen Regelungen endgültig verabschiedet werden, doch Unternehmen sollten sich bereits jetzt auf die bevorstehenden Änderungen vorbereiten.
Sicherheitsfachkräfte, Sicherheitsbeauftragte und Geschäftsführer sind gut beraten, die Entwicklungen genau im Auge zu behalten und frühzeitig Maßnahmen zur Anpassung an die neuen Anforderungen zu ergreifen.