Ein Leitfaden für Sifa der BGN – und alle, die es genau wissen wollen, von Donato Muro

1) Was sagt die aktuelle Datenlage?

Die neue RKI‑Auswertung (DEBRA, 76.239 Befragte) zeigt: Wasserpfeifenkonsum (WP) ist in Deutschland seit 2022 rückläufig. Mitte 2024 lag die Prävalenz geschätzt bei 0,9 % in der Gesamtbevölkerung. Besonders stark war der Rückgang bei 25–39‑Jährigen; Jugendliche 14–17 Jahre blieben über den Zeitraum niedrig. Das Einstiegsalter liegt stabil bei Median 18 Jahren; Männer und Personen mit niedrigerem Einkommen steigen früher ein.

Die Autor:innen diskutieren als plausible Treiber: Tabaksteueraufschlag auf WP‑Tabak ab 2022 sowie temporäre 25‑g‑Packungsgrenze (07/2022–07/2024) und veränderte soziale Muster nach der Pandemie. Kausalität ist nicht bewiesen, der zeitliche Zusammenhang ist klar.

Medizinisch ist die Sache eindeutig: WP ist nikotinabhängigmachend und erhöht das Risiko u. a. für kardiovaskuläre Erkrankungen, COPD sowie Kopf‑Hals‑ und Lungenkrebs. Das „Wasser filtert das Schädliche weg“ zählt zu den hartnäckigsten Irrtümern.

Kurz gesagt: Weniger Verbreitung, aber weiter relevant – vor allem als Gruppenaktivität und Dual‑Use mit Zigaretten/E‑Produkten. Für Betriebe heißt das: Risiken realistisch einordnen, Gefährdungen bewerten, klare Regeln umsetzen.

PPTX-Unterweisung (Muster- ohne jede Gewähr): Sicherheit in Shisha-Betrieben – 10-Minuten-Unterweisung für Schichtleiter.

2) Relevanz für Sifa im BGN‑Umfeld

  • Shisha‑Bars sind Gastronomie – mit typischen Gefährdungen plus einer Besonderheit: Kohlenmonoxid (CO) aus glühender Kohle. CO ist farb‑/geruchlos und wirkt direkt auf den Sauerstofftransport – akute und chronische Schäden sind möglich.
  • Arbeitsplatzgrenzwert CO: Seit 15.01.2024 gilt in Deutschland 20 ppm (23 mg/m³) als verbindlicher AGW (vorher 30 ppm). Das betrifft auch Shisha‑Bars.
  • Lüftung: Die BGN empfiehlt als praxisnahe Dimensionierung mindestens 200 m³/h Frischluft pro brennender WP; Fenster und Türen reichen in der Regel nicht.

Wichtig für die Gefährdungsbeurteilung: CO‑Quelle ist die Kohle, nicht primär der Tabak. Deshalb hilft reine Raumlüftung oft zu spät oder zu wenig – Quellenkontrolle ist die Stellschraube.

3) Rechtslage – das Wesentliche in Kürze

  • Nichtraucherschutz ist Ländersache. Beispiele:
    NRW: In der Gastronomie ausnahmsloses Rauchverbot, das auch Shisha‑Cafés umfasst; Ausnahmen (Raucherkneipen/‑räume) sind abgeschafft.
    Berlin: Für Shisha‑Gaststätten gelten Sonderregeln (Kennzeichnung, alkoholfrei etc.); dort gilt das allgemeine Rauchverbot nicht, wenn die speziellen Anforderungen erfüllt sind. Prüfen, ob der eigene Betrieb darunter fällt.
  • Jugendschutz: Kein Zugang unter 18 Jahren zu Shisha‑Gaststätten (landesrechtliche/örtliche Vorgaben beachten).
  • GefStoffV/TRGS: CO‑Expo­sition ist zu ermitteln und gegen den AGW 20 ppm zu bewerten; technische und organisatorische Maßnahmen sind vorrangig.

Praxis‑Hinweis: Weil die Landesregelungen zur Shisha‑Gastronomie divergieren, die lokalen Vorgaben (Ordnungsamt/Gesundheitsamt) vorab klären und in die Gefährdungsbeurteilung dokumentiert aufnehmen.

4) Maßnahmen – was in Shisha‑Betrieben wirklich funktioniert

Technik (Quelle zuerst):

  • Elektrische Beheizung statt Kohle: reduziert CO im Raum und Primärstrom um ~98 % – die wirksamste Option.
  • Katalysator‑Aufsatz (CO → CO₂): ~80–90 % weniger Raum‑CO; Primärstrom bleibt unverändert.
  • One‑Cube‑Aufsatz (eine statt drei Kohlen): ~65 % weniger Raum‑CO; Primärstrom bleibt nahezu gleich.

Lüftung & Überwachung:

  • Volumenstrom: ≥ 200 m³/h je brennender WP als untere Praxisgröße; bei zehn Pfeifen ≥ 2.000 m³/h. Regelmäßige Wirksamkeitsprüfungen (Messprotokoll).
  • CO‑Monitoring: Fest installierte Sensorik mit Anzeigen im Gastraum und Vorbereitungsbereich, akustisch/visuell, mit Alarm‑ und Abschaltlogik (z. B. Kohlezufuhr stoppen, Lüftung hochfahren, Lüften erzwingen). Grenzwertbezug: AGW 20 ppm (23 mg/m³) als maßgeblicher Bezugswert der Beurteilung.
  • Betriebsorganisation: Max. Anzahl gleichzeitig brennender Pfeifen festlegen, CO‑Werte loggen, Nachtschluss mit Lüftungsnachlauf, Hausrecht konsequent anwenden.

Brand‑/Betriebssicherheit:

  • Aschesichere Kohlebehälter, definierte Transportwege, kein Lagern heißer Kohle auf Theke/Tischen; Brandschutzordnung, Räumungsplan, Ersthelfer und Unterweisung mit CO‑Schwerpunkt.
  • Akku‑Risiken bei E‑Systemen (Lithium‑Ionen) im Blick behalten: Ladeplätze, geeignete Ladegeräte, keine improvisierten Umbauten. (
  • Unterweisung & Kommunikation:
  • Klartext: CO ist unsichtbar und macht ohne Vorwarnung handlungsunfähig; Symptome (Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit) sofort ernst nehmen, Räumen, Frischluft, Notruf.
  • Gäste‑Hinweis (Aushang): CO‑Messung im Betrieb, Maximalzahl aktiver Pfeifen, Jugendschutz, Regeln zu geschlossenen Fenstern/Türen.

5) Für Küchen, Hotels, Events & „gemischte“ Betriebe

Shisha‑Einsätze auf Firmenevents, Festivals, Hotelterrassen etc. sind arbeits­schutz‑ und ordnungsrechtlich riskant: häufig wechselnde Räume, unklare Lüftung, fehlendes Monitoring. Empfehlung: Kein Indoor‑Betrieb; Outdoor nur mit klarem CO‑Konzept, Abschirmungen gegen Brandgefahren und dokumentierter Einweisung des Personals. Landesrechtliche Rauchverbote beachten – in NRW z. B. Innenräume generell tabu.

6) Einordnung der RKI‑Trends – was das für Prävention bedeutet

Die sinkende Prävalenz heißt nicht, dass das Thema durch ist. WP bleibt gruppengetrieben und preis‑sensibel; junge Männer starten früher. Für Betriebe im BGN‑Bereich heißt das: präventive Ansprache (Azubis, Aushilfen, Abend‑/Nachtgastronomie), keine Romantisierung („Fruchtqualm“) und klare Regeln zu CO, Brandschutz und Nichtraucherschutz. Die Daten stützen genau dieses Vorgehen.

Praxis‑Checkliste

  1. Rechtslage geprüft und dokumentiert (Land, Kommune, Betriebskonzept Shisha‑Gaststätte ja/nein). Verantwortlichkeiten benannt.
  2. AGW CO = 20 ppm (23 mg/m³) berücksichtigt. Verfahren zur Ermittlung/Überwachung festgelegt (TRGS‑konform). (
  3. Technische Maßnahmen gewählt: bevorzugt elektrische Beheizung oder Katalysator; andernfalls One‑Cube‑Aufsatz. Begründung dokumentiert.
  4. Lüftung: Auslegung ≥ 200 m³/h je brennender WP, Nachweis/Protokoll der Leistung und Wirksamkeit.
  5. CO‑Alarmierung: Feste Sensorik, Anzeigen in Gast‑ und Vorbereitungsräumen, Alarmmatrix (Sofortmaßnahmen, ggf. Notfallplan). Logbuch.
  6. Betriebsorganisation: Max. gleichzeitige WP‑Zahl, Kohle‑Handling, Abfall/Asche‑Entsorgung, Akkus (E‑Systeme), Reinigungsregeln.
  7. Unterweisungen: CO‑Gefahr, Symptome, Notfallablauf, Brandverhalten, Hausrecht/Nichtraucherschutz. Nachweise führen.
  8. Kommunikation nach außen: Aushang zu Regeln/Jugendschutz, Hinweis auf CO‑Überwachung; Beschwerdemanagement.

Muster GBU (Muster- ohne jede Gewähr): Gefaehrdungsbeurteilung_Shisha_CO.doc

Literaturgrundlage

  • RKI/DEBRA 2018–2024 – Prävalenz, Einstiegsalter, Trendanalyse.
  • BGN – CO‑Gefahr, AGW 20 ppm, Lüftungsrichtwert 200 m³/h je WP, technische Alternativen (elektrisch/Katalysator/One‑Cube).
  • DGUV‑IFA/BAuA – Verbindlicher OEL/AGW CO 23 mg/m³ (20 ppm).
  • NRW (Beispiel Landesrecht, striktes Gastro‑Rauchverbot inkl. Shisha).
  • Berlin (IHK) – Hinweis auf landesspezifische Ausnahmen für Shisha‑Gaststätten.

Fazit
Als Sifa im Gastgewerbe geht es nicht um Moral, sondern um Messbarkeit und Steuerbarkeit. Setz den AGW 20 ppm als harte Leitplanke, gestalte die Quelle kohlenmonoxidarm, halte die Lüftung leistungsfähig und die Regeln klar. Die Bevölkerung raucht weniger Shisha – gut. In Betrieben bleibt das Thema ernst, aber beherrschbar, wenn man es fachlich sauber aufsetzt.

Hinweis: Für landesspezifische Sonderwege (z. B. Shisha‑Gaststätten) die lokale Rechtslage prüfen und im Schutzkonzept ausdrücklich berücksichtigen.