In Deutschland deckt die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsunfälle und sogenannte Wegeunfälle ab, also Unfälle, die auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit passieren. Die Berufsgenossenschaft übernimmt in diesen Fällen die Kosten für medizinische Behandlungen und mögliche Rehabilitationsmaßnahmen. Es gibt jedoch Regeln und Sonderfälle, die den Versicherungsschutz beeinflussen. Hier finden Sie einen umfassenden Überblick über die Bedingungen und Ausnahmefälle beim Wegeunfall – wichtig für Beschäftigte und Arbeitgeber gleichermaßen.

1. Der direkte Weg: Verkehrsmittelwahl und Umwege

Freie Verkehrsmittelwahl
Versicherte haben die Freiheit, ihren Weg zur Arbeit auf die für sie passende Art und Weise zurückzulegen. Ob zu Fuß, mit dem Fahrrad, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Auto – der Versicherungsschutz greift unabhängig vom Verkehrsmittel. Die Fahrt muss jedoch sachlich begründet sein, und der gewählte Weg sollte in einem angemessenen Verhältnis zum Zielort stehen. Ein Umweg ist versichert, wenn er aus zwingenden Gründen gewählt wird, etwa um Baustellen oder gefährliche Strecken zu umgehen.

Abweichungen und Umwege
Eine Abweichung vom direkten Weg zur Arbeitsstätte kann den Versicherungsschutz ebenfalls aufrechterhalten, beispielsweise bei einer Fahrt zur Kindertagesstätte, um das eigene Kind in die Obhut zu übergeben. Auch Fahrgemeinschaften, die eine kleine Umfahrung erfordern, sind abgedeckt. Doch Vorsicht: Private Besorgungen, die den Arbeitsweg verlängern, können den Versicherungsschutz unterbrechen. Nach einem solchen privaten Abstecher besteht der Schutz wieder, sobald der Beschäftigte den direkten Weg zur Arbeit oder nach Hause wieder aufnimmt. Wenn jedoch die Unterbrechung mehr als zwei Stunden dauert, entfällt der Schutz.

2. Versicherung bei Fahrgemeinschaften und Kinderbetreuung

Fahrgemeinschaften
Fahrgemeinschaften zur und von der Arbeit stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mitfahrerin der gleichen Firma beschäftigt sind oder wie oft die Gemeinschaft stattfindet. Auch das Abholen oder Absetzen von Mitfahrenden ist versichert, solange der Umweg innerhalb eines vernünftigen Rahmens bleibt.

Umwege zur Kinderbetreuung
Eltern, die vor Arbeitsbeginn ihr Kind zur Kindertagesstätte oder Schule bringen müssen, sind ebenfalls versichert, auch wenn sie hierfür den direkten Arbeitsweg verlassen. Umgekehrt gilt dies ebenso, wenn sie auf dem Heimweg die Betreuungseinrichtung ihres Kindes anfahren. Dieser Schutz sichert berufstätige Eltern in den notwendigen Umwegen ab, die durch die berufliche Verpflichtung entstehen.

3. Besorgungen und Dienstwege für das Unternehmen

Dienstliche Besorgungen
Für Aufgaben, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit ausgeführt werden, wie etwa die Abholung von Büromaterial oder Besorgungen für das Unternehmen, besteht Versicherungsschutz. Wichtig ist, dass die Fahrt im Auftrag des Unternehmens und nicht aus privaten Gründen erfolgt. Der Versicherungsschutz bleibt bestehen, unabhängig davon, ob ein Privat-Pkw oder ein Dienstwagen genutzt wird.

Dienstreisen und Geschäftsfahrten
Unfälle, die sich auf Dienstreisen ereignen, sind ebenfalls versichert. Dies schließt nicht nur die Geschäftsreise selbst ein, sondern auch die Vorbereitungen, die unmittelbar damit verbunden sind, wie das Abholen von Reisedokumenten. Auch hierbei gilt: Die Handlungstendenz muss betrieblicher Natur sein, private Umwege sind nicht versichert.

4. Pausen und Versicherungsschutz auf dem Betriebsgelände

Innerbetriebliche Wege zur Kantine und Toilette
Versicherte sind während der Arbeitspausen auf den Wegen zur Kantine oder Toilette versichert. Der Schutz endet und beginnt an der Außentür dieser Einrichtungen. Wird jedoch das Betriebsgelände verlassen, um etwa in eine externe Kantine zu gehen, endet der Schutz an der Betriebsaußentür und beginnt erst wieder auf dem Weg zurück zum Arbeitsplatz. Auch der Weg zur Essensbesorgung, wenn diese am Arbeitsplatz verzehrt werden soll, ist versichert.

Pausen außerhalb des Betriebsgeländes
Wer die Pause nutzt, um das Betriebsgelände zu verlassen, beispielsweise in eine nahegelegene Gaststätte oder einen Kiosk zu gehen, ist auf dem Hin- und Rückweg versichert, solange das Essen unmittelbar danach verzehrt wird. Der Aufenthalt selbst im Restaurant oder Kiosk ist allerdings nicht versichert.

5. Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Wege im Homeoffice

Bereitschafts- und Notdienste
Wer sich im Bereitschaftsdienst auf direktem Weg zum Arbeitsplatz oder während der Arbeit im Betrieb befindet, ist versichert. Der Versicherungsschutz gilt auch für Rufbereitschaft, selbst wenn diese von zu Hause aus erfüllt wird, solange ein dienstlicher Zweck besteht.

Wege im Homeoffice
Auch im Homeoffice greift der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Tätigkeiten, die mit dem betrieblichen Zweck verbunden sind, sind abgedeckt. Dies umfasst auch den Weg zur Nahrungsaufnahme oder zur Toilette, wenn diese sich im selben Gebäude befinden. Nicht versichert sind dagegen Wege, die dem privaten Bereich zugerechnet werden, wie der Gang zur Annahme eines privaten Pakets.

6. Weitere Besonderheiten und Ausnahmen

Vorstellungsgespräche
Der Versicherungsschutz besteht nur, wenn eine arbeitslose Person im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit ein Vorstellungsgespräch wahrnimmt. Eigeninitiativ geführte Vorstellungsgespräche gelten als privatwirtschaftlich und fallen nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Alkoholeinfluss
Alkohol- oder drogenbedingte Fahruntüchtigkeit führt zum Verlust des Versicherungsschutzes. Unfallbeteiligte müssen nachweisen, dass der Unfall nicht alkoholbedingt war, wenn ein Blutalkoholspiegel von 1,1 Promille oder mehr vorliegt. Abweichende Werte gelten für Fußgänger oder Radfahrer, die in alkoholisiertem Zustand verunglücken.

7. Wegeunfall melden: Schritt-für-Schritt-Anleitung

Ein Wegeunfall sollte unverzüglich gemeldet werden, insbesondere wenn er eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen zur Folge hat oder tödlich endete. Die Meldung erfolgt über eine Unfallanzeige an die zuständige Berufsgenossenschaft. Falls ein Betriebsrat besteht, muss auch dieser die Unfallanzeige unterzeichnen. Bei Verdacht auf Berufskrankheiten ist ebenfalls eine frühzeitige Meldung notwendig. Arbeitgeber sind verpflichtet, den Unfall an die zuständige Berufsgenossenschaft zu melden.

8. Welche Ansprüche bestehen nach einem Wegeunfall?

Medizinische Behandlung und Rehabilitation
Die Berufsgenossenschaft übernimmt die Kosten für notwendige medizinische Behandlungen, Reha-Maßnahmen und therapeutische Unterstützung. Falls erforderlich, wird der verletzte Beschäftigte bei einem Durchgangsarzt vorgestellt.

Geldleistungen und Verletztengeld
Bei Arbeitsunfähigkeit wird Verletztengeld gezahlt. Nach sechs Wochen Krankengeld, das ca. 70 % des Bruttogehalts beträgt, wird Verletztengeld von etwa 80 % des Bruttogehalts geleistet.

Pflege- und Hinterbliebenenrente
Kommt es zu einem dauerhaften Schaden, zahlt die Berufsgenossenschaft eine Rente, die sich an der Minderung der Erwerbsfähigkeit bemisst. Im Falle eines tödlichen Wegeunfalls haben Angehörige Anspruch auf Sterbegeld und eventuell auf eine Hinterbliebenenrente.

Fazit: Gut abgesichert auf dem Weg zur Arbeit

Ein Wegeunfall gilt als Arbeitsunfall und ist in den meisten Fällen durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt. Entscheidend ist, dass der direkte Weg zum und vom Arbeitsplatz verfolgt wird und der Zweck der Tätigkeit betrieblicher Natur ist. Private Umwege und Alkohol am Steuer können jedoch den Versicherungsschutz beeinträchtigen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten Wegeunfälle stets zeitnah der Berufsgenossenschaft melden, um alle Ansprüche geltend zu machen und eine rechtzeitige Heilbehandlung sicherzustellen.

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