Von Donato Muro, Sicherheitsingenieur und Jurist
Wasser ist im Krankenhaus mehr als ein Betriebsmittel. Es ist Lebensgrundlage, Hygienefaktor, Löschmittel und Gefahrenquelle zugleich. Zwischen Trinkwasserhygiene, Abwasserentsorgung und Brandschutz entscheidet sich tagtäglich, ob Technik und Sicherheit im Krankenhaus tatsächlich funktionieren.
Für Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Hygienebeauftragte und technische Leiter wird das Zusammenspiel dieser Systeme immer komplexer – und rechtlich anspruchsvoller.
Zwei technische Regelwerke markieren die Leitplanken für sicheres Handeln:
das DVGW-Arbeitsblatt W 405 (Bereitstellung von Löschwasser durch die öffentliche Trinkwasserversorgung) und das DWA-Merkblatt M 775 (Abwasser aus Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen).
Sie definieren, wie Sicherheit im Wasserkreislauf des Krankenhauses tatsächlich funktioniert – von der Hydrantenplanung bis zur Abwasserbehandlung.
1. Löschwasser im Krankenhaus – zwischen Trinkwasserrecht und Brandschutz
Krankenhäuser sind Sonderbauten mit erhöhtem Brandrisiko.
Im Ernstfall muss ausreichend Löschwasser zur Verfügung stehen – doch nicht auf Kosten der Trinkwasserhygiene.
Nach DVGW W 405 (2008) ist die Bereitstellung von Löschwasser über die öffentliche Trinkwasserversorgung nur zulässig, wenn dadurch keine Gefährdung der allgemeinen Versorgungssicherheit entsteht.
Das Arbeitsblatt unterscheidet:
- Grundschutz: normale Wohn- oder Gewerbegebiete ohne besondere Brandlasten.
- Objektschutz: Krankenhäuser, Pflegeheime, Labore, Chemikalienlager – also Gebäude mit erhöhter Personenbelegung und Brandlast.
Für den Objektschutz fordert W 405 Löschwasserleistungen von bis zu 192 m³/h, was die Kapazität öffentlicher Netze häufig übersteigt.
Daher müssen Kliniken zusätzlich über eigene Löschwasserbehälter, Zisternen oder Brunnen verfügen. Auch Trinkwassernottrennungen nach DIN EN 1717 und regelmäßige Dichtheits- und Hygieneprüfungen sind Pflicht.
Fazit:
Die Zeiten, in denen der nächste Hydrant als „ausreichend“ galt, sind vorbei. Heute braucht es hydraulische Berechnungen, Prüfprotokolle und eine saubere Abgrenzung zwischen Trinkwasser- und Löschwassernetz.
2. Abwasser aus Krankenhäusern – komplexer als jedes Gewerbeabwasser
Während das DVGW-Regelwerk die Löschwasserbereitstellung regelt, beschreibt das DWA-Merkblatt M 775 (2010) die Kehrseite des Kreislaufs: das Abwasser aus medizinischen Einrichtungen.
Und das hat es in sich.
Das Merkblatt unterscheidet rund zwanzig Abwasserquellen, von der Küche bis zur Pathologie.
Jede Quelle birgt eigene Risiken:
| Bereich | Typische Belastung | Anmerkung |
|---|---|---|
| Dialyse | Peressigsäure, Zitronensäure, Natronlauge | pH-Schwankungen und AOX-Probleme |
| Wäscherei | Tenside, Phosphate, hohe Temperaturen | Anhang 55 AbwV beachten |
| Pathologie | Formaldehyd, Xylol, Alkohole | Gefahrstoffrecht + Abwasserrecht |
| Radiologie | iodhaltige Röntgenkontrastmittel | kaum biologisch abbaubar |
| Labor | Ethidiumbromid, EDTA, Phenole | mutagen, AOX-bildend |
| Küche | Fettabscheider, Reinigungsmittel | Dichtheits- und Wartungspflichten |
Das DWA M 775 fordert ausdrücklich, dass Krankenhausabwässer grundsätzlich über die kommunale Kläranlage entsorgt werden dürfen, aber nur, wenn sie keine biologisch schwer abbaubaren oder toxischen Stoffe in kritischen Mengen enthalten.
Das bedeutet:
Krankenhäuser müssen Abwasserströme trennen, Stoffe erfassen, neutralisieren oder zurückhalten, bevor sie in den Kanal gelangen.
Beispiele aus der Praxis:
- Pathologien: Formalinlösungen > 10 % sind als gefährlicher Abfall zu entsorgen.
- Dialyseanlagen: saure und alkalische Reinigungslösungen dürfen nicht gleichzeitig abgeleitet werden (Gefahr von Chlorgasbildung).
- Nuklearmedizin: Abwasser darf erst nach Abklingzeit (z. B. 131I) in den Kanal.
- Wäschereien: chlorhaltige Bleichmittel sind zu vermeiden; AOX < 18 g/t TS.
3. Sicherheitsingenieur als Schnittstelle zwischen Technik und Recht
Die Fachkraft für Arbeitssicherheit im Krankenhaus wird zunehmend zum Koordinator für technische Regelkonflikte:
Arbeitsschutzrecht, Trinkwasserverordnung, Abwasserverordnung, IfSG, BetrSichV, TRBA, GefStoffV – alles greift ineinander.
Drei Schlüsselrollen:
- Gefährdungsbeurteilung Wassertechnik
→ Einbeziehung von chemischen, biologischen und physikalischen Risiken.
→ Legionellenprävention allein genügt nicht – Desinfektionsmittelrückstände, Formaldehyd und Röntgenchemikalien gehören ebenfalls in die Betrachtung. - Prüfung und Wirksamkeitskontrolle von Lösch- und Trinkwasseranlagen
→ Zusammenarbeit mit Brandschutzbeauftragten und Wasserversorgern.
→ Nachweis über Hydrantenprüfung, Rückflussverhinderer, Druckhaltung, Probenahmestellen. - Kommunikation und Schulung
→ Aufklärung aller Mitarbeitergruppen: Reinigung, Pflege, Haustechnik, Fremdfirmen.
→ „Was darf in den Ausguss, was nicht?“ ist eine Sicherheitsfrage, keine Kleinigkeit.
4. Typische Schwachstellen in der Praxis
- Fehlende Trennung von Löschwasser- und Trinkwassernetzen.
- Keine dokumentierte Wartung der Rückflussverhinderer nach DIN EN 1717.
- Unbekannte Chemikalien im Laborabwasser.
- Fettabscheider ohne Wartungsnachweis.
- Dialyseabwasser ohne Neutralisation.
- Ungeprüfte Rohrleitungsquerschnitte bei Löschwasserentnahme.
- Keine Schulung des Personals zur Abwasserentsorgung.
Diese Punkte tauchen regelmäßig bei Gefährdungsbeurteilungen, Audits und Behördenbegehungen auf – und führen im Zweifel zu Auflagen oder Bußgeldern.
5. Zukunftsthema: Arzneimittel, Mikroorganismen, Nachhaltigkeit
Neue Studien der DWA zeigen, dass Krankenhausabwässer zunehmend Spurenstoffe und multiresistente Keime enthalten.
Ein Teil davon überlebt die Kläranlage.
Zukünftige Strategien – z. B. Ozonung, Aktivkohleadsorption oder Membranbioreaktoren – werden in Pilotanlagen bereits getestet.
Auch für Krankenhäuser gilt: Nachhaltigkeit heißt nicht nur Energieeffizienz, sondern auch Schadstoffprävention im Wasser.
Die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsingenieuren, Hygienikern, Technikern und Umweltbeauftragten wird dabei zur Voraussetzung, um gesetzliche Anforderungen mit realen Betriebsbedingungen zu verbinden.
6. Fazit – Wasser ist Sicherheitsarbeit
Der Sicherheitsingenieur im Krankenhaus ist heute mehr als nur Präventionsberater.
Er ist Bindeglied zwischen Trinkwasserhygiene, Brandschutz, Abwasserrecht und Gefährdungsbeurteilung.
Wer die Anforderungen aus DVGW W 405 und DWA M 775 kennt, kann Risiken frühzeitig erkennen und technische wie organisatorische Schutzmaßnahmen sinnvoll kombinieren.
Sicherheit im Krankenhaus beginnt beim Menschen –
aber sie funktioniert nur, wenn Wasser, Technik und Verantwortung Hand in Hand gehen.





