Ablaufdatum von Trenn- und Schleifscheiben – ein unterschätztes Risiko in der Arbeitssicherheit

Trenn- und Schleifscheiben gehören zu den am häufigsten genutzten Werkzeugen im Handwerk und in der Industrie. Ob beim Trennen von Metall, Beton oder Keramik – die leistungsstarken Scheiben sorgen für präzise und effiziente Schnitte. Doch viele Anwender übersehen eine entscheidende Sicherheitsvorgabe: das Ablaufdatum der Scheiben. Dieses Datum ist nicht nur eine Herstellerempfehlung, sondern eine sicherheitsrelevante Kennzeichnung gemäß DIN EN 12413 (kunstharzgebundene Schleifwerkzeuge) und DIN EN 13236 (Diamant-Trennscheiben).

In diesem Artikel betrachten wir detailliert, warum Trenn- und Schleifscheiben altern, welche Gefahren mit ihrer Nutzung nach Ablauf des Verfallsdatums verbunden sind und welche Maßnahmen Fachkräfte für Arbeitssicherheit in Betrieben implementieren sollten.

Warum haben Trenn- und Schleifscheiben ein Ablaufdatum?

Während die meisten Werkzeugkomponenten aus Metall bestehen und dadurch sehr lange haltbar sind, besteht der Schleifkörper einer Trennscheibe hauptsächlich aus abrasiven Schleifkörnern (z. B. Aluminiumoxid, Siliziumcarbid oder Diamant) sowie einem Bindemittel, das diese Körner zusammenhält. Bei klassischen Trennscheiben für Winkelschleifer ist dieses Bindemittel meist ein Kunstharz, verstärkt durch Glasfasergewebe.

Das Problem: Kunstharze unterliegen einem natürlichen Alterungsprozess. Durch Umwelteinflüsse wie Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen oder unsachgemäße Lagerung kann die chemische Struktur des Harzes spröde werden. Das führt zu einem Verlust der mechanischen Festigkeit, wodurch die Scheibe bei hoher Drehzahl leichter brechen kann.

Daher geben Hersteller eine maximale Nutzungsdauer an, die bei kunstharzgebundenen Trenn- und Schleifscheiben meist drei Jahre ab Produktionsdatum beträgt. Bei Diamant-Trennscheiben kann die Haltbarkeit länger sein, doch auch hier gibt es je nach Bindung und Anwendung klare Vorgaben zur Lebensdauer.

Das Ablaufdatum ist stets auf der Scheibe zu finden – meist auf dem Innenring aus Metall, in der Form MM/JJ oder MM.JJJJ. Beispielsweise bedeutet eine Markierung „07/2023“, dass die Scheibe bis Ende Juli 2023 sicher nutzbar war.

Praxisproblem: Viele Anwender ignorieren dieses Datum oder wissen nicht, dass es existiert. Dabei ist die Gefahr real: Abgelaufene Scheiben können bei der Nutzung zerbersten und schwere Verletzungen verursachen.

Mechanische und physikalische Risiken abgelaufener Schleifscheiben

1. Verlust der Bindefestigkeit
Das Kunstharz-Bindemittel härtet mit der Zeit aus, verliert seine Elastizität und wird spröde. Dadurch verringert sich die Haftung der Schleifkörner an der Scheibe. Die Folge: Die Struktur der Scheibe wird instabil, was zum unkontrollierten Bruch führen kann – vor allem unter der enormen Fliehkraft eines laufenden Winkelschleifers.

2. Risse und Abplatzungen
Bei älteren Scheiben können durch Materialermüdung Mikrorisse entstehen. Diese sind oft mit bloßem Auge nicht sichtbar, können aber unter der hohen Belastung beim Trennen schnell wachsen und zu einem plötzlichen Bruch der Scheibe führen. Besonders problematisch sind hier ungleichmäßige Belastungen oder Verkanten beim Schnitt.

3. Unwucht und Vibrationsrisiken
Durch Lagerungsfehler oder Materialermüdung kann sich eine Trennscheibe minimal verformen. Diese Verformung führt zu einer Unwucht, wodurch der Winkelschleifer stärker vibriert. Eine solche Unwucht:

  • Belastet die Spindellager der Maschine, was langfristig zu Schäden führt
  • Erhöht das Risiko eines Kontrollverlusts über das Werkzeug, vor allem bei Einhandwinkelschleifern
  • Führt zu ungenauen Schnitten, was die Arbeit erschwert und gefährlich macht

4. Gefahr des Scheibenbruchs durch zu hohe Umfangsgeschwindigkeit
Jede Schleifscheibe ist für eine bestimmte maximale Drehzahl ausgelegt. Diese ist auf der Scheibe angegeben (z. B. 80 m/s oder 12.250 U/min für eine 125-mm-Trennscheibe). Ist die Scheibe jedoch überaltert und dadurch geschwächt, kann sie diese Geschwindigkeit nicht mehr sicher aushalten. Die Fliehkräfte bei diesen Drehzahlen sind enorm – wenn die Scheibe bricht, werden Splitter mit hoher Geschwindigkeit weggeschleudert, was zu schwersten Verletzungen führen kann.

Rechtliche und normgerechte Anforderungen für Fachkräfte für Arbeitssicherheit

1. Einhaltung von DIN- und EN-Normen
In Deutschland und Europa gelten für Trenn- und Schleifscheiben die DIN EN 12413 (kunstharzgebundene Schleifkörper), die DIN EN 13236 (Diamant-Trennscheiben) sowie die ISO 525 (Kennzeichnung von Schleifkörpern). Diese Normen schreiben unter anderem vor:
✔️ Angabe der maximal zulässigen Drehzahl und Umfangsgeschwindigkeit
✔️ Kennzeichnung des Ablaufdatums
✔️ Fertigung nach definierten Sicherheitsanforderungen

2. BetrSichV und DGUV-Regelwerke
Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) schreibt vor, dass Arbeitsmittel nur genutzt werden dürfen, wenn sie sich in einem sicheren Zustand befinden. Die DGUV Regel 100-500 beschreibt in mehreren Kapiteln die sicheren Anforderungen für den Umgang mit Schleifmaschinen und Schleifkörpern. Das bedeutet:

  • Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass nur intakte und zulässige Schleifscheiben verwendet werden
  • Die regelmäßige Sichtprüfung und das Aussortieren abgelaufener oder beschädigter Scheiben sind Pflicht
  • Mitarbeiter müssen über die Gefahr von überalterten Schleifscheiben geschult werden

Empfohlene Sicherheitsmaßnahmen für Betriebe

1️⃣ Ablaufdatum regelmäßig kontrollieren:
📌 Alle Schleifscheiben im Lager und an Arbeitsplätzen auf das Ablaufdatum prüfen
📌 Abgelaufene Scheiben konsequent aussortieren und entsorgen

2️⃣ Vor jedem Einsatz Sichtkontrolle durchführen:
🔎 Auf Risse, Beschädigungen oder Abplatzungen achten
🔎 Scheiben, die heruntergefallen sind, nicht weiterverwenden

3️⃣ Richtige Lagerung sicherstellen:
🏗️ Trocken und bei moderaten Temperaturen lagern
🏗️ Keine übermäßige Belastung durch Druck oder Feuchtigkeit

4️⃣ Persönliche Schutzausrüstung (PSA) tragen:
🦺 Schutzbrille oder Gesichtsschutz verpflichtend
🦺 Handschuhe und feste Arbeitskleidung tragen

5️⃣ Schulungen und Unterweisungen für Mitarbeiter durchführen:
📢 Regelmäßige Sicherheitsunterweisungen über den sicheren Umgang mit Schleifscheiben
📢 Sichtprüfungen und Handhabung in die Gefährdungsbeurteilung einfließen lassen

Fazit: Kleinste Fehler können fatale Folgen haben

Das Ablaufdatum von Trenn- und Schleifscheiben ist mehr als eine reine Herstellerempfehlung – es ist ein entscheidender Faktor für die Arbeitssicherheit. Wer überalterte oder beschädigte Schleifscheiben verwendet, riskiert nicht nur ineffizientes Arbeiten, sondern setzt sich und andere einer erheblichen Verletzungsgefahr aus.

Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollten klare Maßnahmen etablieren, um sicherzustellen, dass in Betrieben nur zugelassene und sichere Schleifkörper eingesetzt werden. Die richtige Lagerung, regelmäßige Sichtprüfungen und gezielte Schulungen sind essenziell, um das Unfallrisiko zu minimieren und eine sichere Arbeitsumgebung zu gewährleisten.

Denn: Die beste Trennscheibe ist nur so gut, wie ihr Zustand es zulässt. 🚀

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