Sicherheit statt Angstkultur – Unternehmen und Firmen denken um

Während es in der Schweiz verpflichtend ist, als Unternehmen einen Arbeitspsychologen zu haben, wird in Deutschland psychologische Sicherheit in Firmen noch selten thematisiert. Dabei ist es bereits seit den 1990er Jahren bekannt, dass die psychologische Sicherheit der Mitarbeiter den Unternehmen bessere und nachhaltigere Ergebnisse bescheren. Doch leider herrscht in vielen Unternehmen statt Sicherheit, Angst und Schweigen.

Wie zeigt sich Angstkultur in Unternehmen?

Die wohl schädlichste Auswirkung von ängstlichen Mitarbeitern und auch Führungskräften ist der handfeste Skandal. Mitarbeiter schweigen, oder werden nicht ernst genommen. Im schlimmsten Falle sogar zum Schweigen aufgefordert. Schlagworte wie Dieselgate oder Credit Suisse dürften das Ausmaß klarmachen. Auch die sexuellen Übergriffe, die bei Uber aufgedeckt wurden, zeigen die Tragweite fehlender psychologischer Sicherheit. Solche Fehlhandlungen und Inkorrektheiten sind die Folgen von Schweigen und Angst.

Was Studien und Forschungen dazu sagen

Es gibt einige Studien und Forschungsarbeiten, die untersucht haben, wie sich die Angstkultur in Unternehmen auswirkt, wie psychologische Sicherheit erreicht werden kann und sich letztendlich auf das gesamte Betriebsklima niederschlägt. Zum Beispiel die Forschungsarbeiten von Amy Edmondson, Professorin für Leadership and Management an der Harvard Business School. Sie war die Erste, die in den 1990er Jahren das Thema psychologische Sicherheit im Kontext von Management-Themen bekannt machte. Die Management-Vordenkerin sprach damals schon von einer Kultur des Schweigens in Unternehmen. Die Mitarbeiter sprächen Konflikte oder Negatives erst gar nicht an, leider auch Ideen oder neue Möglichkeiten der Lösung. Mit dieser Einstellung treten Teams und auch die dahinterstehenden Unternehmen auf der Stelle und können sich nicht weiterentwickeln. Ihre Studien ergaben: Fühlen sich die einzelnen Teammitglieder sicher, und haben den Mut, eigene Fehler einzugestehen oder wahrgenommene Fehler zu kommunizieren, ist der Lerneffekt für alle schnell wahrnehmbar.

Eine weitere Studie, die erwähnt werden soll, ist die «Aristoteles»-Studie. Diese wurde 2016 von Google initiiert und hat für großes Aufsehen gesorgt. Dabei wurden 180 Teams untersucht, mit dem Ziel herauszufinden, welche Faktoren ausschlaggebend für Erfolg, oder Misserfolg sind. Das erstaunliche Ergebnis zeigte auf, dass es nicht das nach fachlicher Kompetenz zusammengesetzte Personal war, welches erfolgversprechender war, sondern ganz andere Faktoren dazu beitrugen. Fühlen sich die Teammitglieder gesehen, respektiert und sicher, wuchs die Bereitschaft mehr Verantwortung für sich, die Aufgabe und das Team zu übernehmen. Das Fazit aus dieser Studie zeigt, müssen sich die einzelnen Mitglieder eines Teams nicht andauernd schützen und verteidigen, sondern können ihre Energie in anstehende Problemlösungen investieren, profitiert das gesamte Team und die gestellte Herausforderung. Offenheit und eine respektvolle Gesprächskultur machen Teams erfolgreich.

Wird dies den Teammitgliedern und auch den Führungskräften vermittelt, steigt das Bewusstsein für das Etablieren von psychologischer Sicherheit in Teams und Unternehmen deutlich an.

Welche Faktoren im Prozess auftauchen

Damit dieser Prozess angestoßen werden kann, sind einige Faktoren zu bedenken und ins Team zu integrieren.

* gleichberechtigte Redezeit
Dazu gehört zum Beispiel die gleichberechtigte Redezeit aller Mitglieder. Dies einzuhalten und gegebenenfalls den Vielredner zu bremsen ist Aufgabe des Arbeitspsychologen und später des Teamleiters innerhalb des Prozesses. Auch die Ermunterung der anderen Teammitglieder, die sich zurückhalten, sich zu äußern gehört dazu. Werden Online-Meetings abgehalten, sollte es obligatorisch sein, die Kamera anzuhaben, besonders dann, wenn sie sich zu Wort melden.

* Ermutigung und mehr miteinander Sprechen
Zur psychologischen Sicherheit gehört auch die Ermunterung von kritischen Mitarbeitern, ihre Meinung zu äußern und sich einzubringen. Sind Teammitglieder räumlich getrennt, ist es immer besser statt zu schreiben sich telefonisch oder via Kamera auszutauschen. Das gegenseitig bessere Kennenlernen, das Deuten der Mimik und das daraus entstehende bessere Verständnis für den Anderen helfen enorm dabei, gemeinsam komplexe Probleme zu lösen. Durch diesen konstruktiven Austausch kann es zu ganz neuen Impulsen kommen, die nicht nur dem Team, sondern auch dem gesamten Unternehmen zugutekommt.

Der Anteil der Führungskräfte

Damit den Mitarbeitern dies gelingen kann, sind die Führungskräfte gefragt. Die Verhaltensweisen der Führungskräfte sollten grundlegend als Vorbilder dienen.

* Verantwortung übernehmen
Den Vorgesetzten und Führungskräften muss ganz klar sein, dass sie als Person und ihr Verhalten verantwortlich sind, ob sich ihre Mitarbeiter sicher fühlen. Sie sind es, die beginnen, die neuen Parameter in den Teams, dem Betrieb und bei den Sitzungen zu etablieren. Hauptsächlich durch sie kann psychologische Sicherheit entstehen.

* Vorbild sein
Worte alleine werden zwar gehört, aber um echtes Umdenken zu erreichen, muss entsprechend agiert und reagiert werden. Fehler zugeben, Risiken auf sich nehmen bei Entscheidungen und Misserfolge als die Chance sehen, Dinge und Entscheidungen zu verbessern.

* kennenlernen der Mitarbeiter und Kollegen
Das Miteinander arbeiten und sich gegenseitig unterstützen fällt leichter, wenn man sich besser kennt. Daher sollten Chefs darauf hinwirken, dass sich die Mitarbeiter untereinander kennenlernen, auch in einem persönlicheren Kontext.

* konstruktives Feedback
Es ist essenziell, dass Chefs es lernen konstruktives Feedback abzugeben, selbstverständlich nur auf die Sache bezogen. Andererseits sollten sie ihre Mitarbeiter ermutigen, selbst ehrliche Kritik zu üben, auch wenn es um ihre eigenen Interessen geht.

* Wissen teilen
Es sollte zur Gesprächskultur in einem Unternehmen gehören, dass alle Team-Mitarbeiter immer auf demselben Wissen- und Informationsstand sind. Nur dann ist Transparenz möglich, und offene Fragen können in einer konstruktiven Diskussion zu Lösungen führen.

* Konflikten vorbeugen
Gruppendynamiken können in zwei Richtungen ausschlagen: hin zu Spannungen und hin zu Lösungen. Als Führungskraft ist es wichtig, diese Dynamiken zu erkennen und was er/sie selbst dazu beigetragen haben. Selbstreflexion als Werkzeug für Konfliktvorbeugung. Wichtig dabei ist, dass erkannte Anteile, die eventuell gesehen und artikuliert werden, nicht persönlich genommen werden. Vielmehr sollte das Feedback-Verhalten von allen Beteiligten eingefordert werden.

Verletzlichkeit und Befindlichkeiten

Um psychologische Sicherheit entstehen zu lassen, bedarf es nicht nur Wissenstransparenz, sondern auch ein Gespür für die Befindlichkeiten der Mitarbeiter. Besonders in Zeiten der Pandemie haben Unternehmen erkannt, dass Gespräche über die Befindlichkeiten der Angestellten mehr Raum benötigt. Auch die Führungskräfte selbst, die ihre Verletzlichkeit und den Gemütszustand ehrlich und offen zeigen, führen damit eine Veränderung im Zusammenarbeiten herbei.

Damit wird die Angstkultur aufgelöst, Schwäche darf gezeigt werden und Fehler sowie Irrtümer werden offen und ohne Angst kommuniziert. Zumindest beginnt, sich ein schwerer Stein allmählich zu bewegen.

Vor allem in der Schweiz haben einige große Unternehmen erkannt, dass sich psychologische Sicherheit nicht nur auf den Erfolg des Unternehmens positiv auswirkt, sondern auch auf das gesamte Betriebsklima. Durch den Einsatz von Arbeitspsychologen begeben sich einige Unternehmen auf den Weg.

Diese neue Kultur der Offenheit und Sicherheit sind ein Prozess, der seine Zeit in Anspruch nehmen wird. Auch hier sind wieder die Vorgesetzten und Führungskräfte gefragt. Mit der Brechstange kann kein Vertrauen eingefordert werden. Vielmehr ist der respektvolle Umgang miteinander und die Wertschätzung des Individuums im Laufe der Zeit durch Workshops, Seminare und anderen Möglichkeiten erreichbar. Hier bedarf es Durchhaltevermögen und ein Schritt für Schritt Annähern der einzelnen Teammitglieder aneinander.

Die Unternehmensführung hat die Aufgabe konsequent Wertschätzung und psychologische Sicherheit vorzuleben und damit den Raum zu öffnen für die Mitarbeiter es ihnen gleichzutun. Weg von der Angstkultur und weg vom Schweigen innerhalb von Teams und Unternehmen.

Es wäre wünschenswert, wenn psychologische Sicherheit ins Arbeitsrecht und für den Arbeitsschutz aufgenommen wird. So wie der Brandschutz in Gebäuden.

Wir stehen mit unseren Psychologen Firmen und Unternehmen zur Verfügung, psychologische Sicherheit zu etablieren. Durch Begleitung und Beratung, durch Workshops und Seminare werden Firmen für die Zukunft wieder fit gemacht und die Leistung optimiert. Nicht durch Druck, sondern durch eine Kultur der Offenheit und Wertschätzung.

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