Neue Kolleginnen und Kollegen in der Arbeitssicherheit stellen mir häufig dieselbe Frage: Muss ich Arbeitsmittel vor der ersten Verwendung prüfen lassen? Die ehrliche Antwort lautet: Ja – aber gezielt. § 14 der Betriebssicherheitsverordnung verlangt keine pauschale „Großabnahme“ für alles, sondern eine passende Prüfung je nach Anlass. Wer das Prinzip versteht, spart Aufwand, verhindert Doppelarbeit und bleibt rechtssicher.

Worum es bei § 14 wirklich geht

§ 14 setzt vier klare Auslöser: vor der erstmaligen Verwendung, wiederkehrend, nach Änderungen und nach außergewöhnlichen Ereignissen. Entscheidend ist immer die Gefährdungsbeurteilung: Sie bestimmt, ob geprüft wird, wie tief geprüft wird und in welchen Fristen. Die Dokumentation ist Pflicht – mit Art der Prüfung, Umfang, Ergebnis und Prüfer.

Vor der ersten Verwendung – nur wenn die Montage sicherheitsrelevant ist

Eine Prüfung vor Erstverwendung ist nur vorgeschrieben, wenn die Sicherheit vom Aufbau oder der Installation abhängt. Dann muss eine zur Prüfung befähigte Person vor Ort prüfen, ob die Montage vorschriftsmäßig erfolgt ist, die Funktion sicher ist und die getroffenen Schutzmaßnahmen wirken. Inhalte, die der Hersteller bereits im Konformitätsbewertungsverfahren geprüft und dokumentiert hat (CE, DoC, Prüfberichte), werden nicht noch einmal wiederholt. Wichtig: Nach jeder erneuten Montage ist vor der Inbetriebnahme wieder zu prüfen.

Wiederkehrende Prüfungen – wenn Einflüsse die Sicherheit angreifen

Arbeitsmittel, die Verschleiß, Korrosion, Verschmutzung, UV‑Alterung, Witterung oder längeren Stillstandszeiten ausgesetzt sind, müssen wiederkehrend geprüft werden. Die Fristen legt die Gefährdungsbeurteilung so fest, dass der sichere Betrieb bis zur nächsten Prüfung gewährleistet ist. Ergibt eine Prüfung, dass das bis zur nächsten Frist nicht möglich ist, wird die Prüffrist neu bestimmt.

Änderungen und außergewöhnliche Ereignisse

Sobald sicherheitsrelevante Änderungen vorgenommen werden – etwa eine neue Software mit Einfluss auf Schutzfunktionen, geänderte Antriebe oder eine Funktions­erweiterung – ist vor der nächsten Verwendung eine außerordentliche Prüfung fällig. Dasselbe gilt nach außergewöhnlichen Ereignissen wie einem Unfall, Umstürzen, Anfahren, längerer Nichtverwendung oder Naturereignissen (z. B. Sturm, Überflutung, Blitzschlag). Weiterbetrieb erst nach bestandener Prüfung.

Besonders prüfpflichtige Arbeitsmittel und Fristenlogik

Für die in Anhang 3 genannten Arbeitsmittel sind umfassende Prüfungen vorgeschrieben: vor der ersten Inbetriebnahme, vor jeder Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen und in wiederkehrenden Intervallen nach den dort genannten Vorgaben. Bei den Fälligkeiten gilt die Monats‑/Jahreslogik: Die nächste Frist beginnt mit dem Fälligkeitstermin der letzten Prüfung. Wird vorgezogen, startet die neue Frist mit Monat/Jahr der Durchführung; bei Prüffristen über zwei Jahren nur, wenn mehr als zwei Monate vor Fälligkeit geprüft wurde. Steht ein Arbeitsmittel zum Fälligkeitstermin außer Betrieb, darf es erst nach durchgeführter Prüfung wieder genutzt werden. Eine Prüfung gilt als fristgerecht, wenn sie spätestens zwei Monate nach Fälligkeit erfolgt. Diese Fälligkeitsregeln gelten nur für Arbeitsmittel nach Anhang 2 (Abschn. 2–4) und Anhang 3.

So entscheiden Sie in der Praxis

Die einfachste Denkreihenfolge lautet: Montageabhängigkeit – Einflüsse – Änderung – Ereignis. Ist die Sicherheit von der Montage abhängig, brauchen Sie vor Erstverwendung die Prüfung einer befähigten Person. Liegen schädigende Einflüsse vor, definieren Sie wiederkehrende Prüfungen mit passenden Fristen. Nach einer Änderung oder einem Ereignis veranlassen Sie eine außerordentliche Prüfung. In allen Fällen erstellen Sie eine klare Aufzeichnung und halten den Nachweis bei wechselnden Einsatzorten am Einsatzort bereit. Befähigte Personen arbeiten weisungsfrei; das ist so gewollt und schützt die Unabhängigkeit der Bewertung.

Beispiele, die jeder sofort einordnen kann

Büro:
Eine neue Kaffeemaschine als gewöhnliches Steckgerät ist nicht montageabhängig. Hier genügt eine ordentliche Inbetriebnahme mit Sicht‑ und Funktionskontrolle sowie die organisatorischen Kontrollen im Betrieb; die große § 14‑Abnahme ist nicht erforderlich. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch, der vor Ort aufgebaut wird, ist dagegen montageabhängig: Standsicherheit, Endabschaltungen und Quetschschutz hängen vom Aufbau ab – deshalb Prüfung vor Erstverwendung durch eine befähigte Person. Mehrfachsteckdosen oder Bürodrucker sind in der Regel nicht montageabhängig; sie werden über die betrieblich festgelegten Kontrollen und – wo einschlägig – separate Fachregeln abgedeckt.

Baustelle:
Der Baustromverteiler ist ein klassischer Fall von Montageabhängigkeit. Vor Erstverwendung und nach jeder erneuten Aufstellung wird geprüft, ob Aufbau und Funktion sicher sind und die Schutzmaßnahmen wirken. Ein fahrbares Gerüst fällt ebenfalls unter diese Logik: Nach der Montage oder Veränderung erfolgt die Prüfung, erst dann die Nutzung; im Betrieb folgen Sicht‑ und Funktionskontrollen. Anschlagmittel wie Ketten oder Schlingen sind nicht montageabhängig, unterliegen aber schädigenden Einflüssen wie Verschleiß – hier sind wiederkehrende Prüfungen Pflicht.

Lager:
Eine Regalanlage ist ohne korrekte Montage nicht sicher. Vor der ersten Verwendung wird die vorschriftsmäßige Aufstellung einschließlich Verankerung geprüft; später folgen regelmäßige Kontrollen und Inspektionen gemäß Gefährdungsbeurteilung. Ein Flurförderzeug altert und verschleißt – daher liegen wiederkehrende Prüfungen nahe, ergänzt um die täglichen Kontrollen im Betrieb. Bei längerer Stillstandszeit des Lagers oder nach einem Anfahrschaden wird vor Wiederaufnahme des Betriebs außerordentlich geprüft.

Was nicht vergessen werden darf

Doppelte Prüfungen sind zu vermeiden. Was der Hersteller im Konformitätsbewertungsverfahren bereits geprüft und dokumentiert hat, wird nicht wiederholt. Vor Ort prüfen wir, was nur dort beurteilt werden kann: Montagezustand, reale Funktion und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen. Dokumentation ist kein Beiwerk, sondern Teil der Sicherheit. Ohne nachvollziehbares Protokoll bleibt eine Plakette wertlos. Und: Fristen sauber pflegen. Arbeiten Sie mit Monat/Jahr, nutzen Sie die Zwei‑Monats‑Toleranz nur als Ausnahme und sperren Sie Arbeitsmittel, die zum Fälligkeitstermin nicht geprüft sind, bis das nachgeholt ist.

Fazit

§ 14 BetrSichV ist kein Bürokratiemonster, sondern ein praxisnahes Steuerungsinstrument. Wer Montageabhängigkeit, schädigende Einflüsse, Änderungen und Ereignisse systematisch bewertet, legt passende Prüfungen fest, verhindert Ausfälle und bleibt rechtssicher. So wird aus „Muss das jetzt wirklich geprüft werden?“ eine klare Entscheidung – schnell, begründet, dokumentiert.

FAQ – Baustelle: Prüfungen nach § 14 BetrSichV (mit praxisnahen Beispielen)

1) Muss ein neu aufgestellter Baustromverteiler vor der ersten Verwendung geprüft werden?
Ja. Seine Sicherheit hängt von Aufstellung und Anschluss ab. Vor der Freigabe prüft eine befähigte Person Montagezustand, Funktion und ob die Schutzmaßnahmen vor Ort tatsächlich wirken. Nach jeder erneuten Aufstellung gilt das wieder.

2) Reicht bei der Erstprüfung eine Sichtprüfung – oder brauche ich Messungen?
§ 14 verlangt keinen festen Messkatalog. Entscheidend ist, dass du Montage, sichere Funktion und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen schlüssig nachweist. Wenn dazu Messungen nötig sind, setz sie ein; wenn eine eindeutige Funktionsprobe reicht, genügt sie. Doppelprüfungen vermeidest du, indem du Hersteller‑/CE‑Nachweise nicht erneut abprüfst.

3) Wer darf auf der Baustelle prüfen?
Die „zur Prüfung befähigte Person“. Das ist jemand mit passender Berufsausbildung, Erfahrung und aktueller Tätigkeit auf dem Gebiet – fachlich weisungsfrei. Sie entscheidet, welche Prüftiefe vor Ort erforderlich ist, und dokumentiert das Ergebnis.

4) Fahrgerüst: Muss wirklich nach jeder Montage geprüft werden?
Ja. Das Gerüst ist montageabhängig. Nach jeder Montage oder Änderung erfolgt die Prüfung durch eine befähigte Person. Im laufenden Betrieb organisierst du zusätzlich regelmäßige Sicht‑ und Funktionskontrollen.

5) Leitern und Tritte: Brauche ich eine Abnahme vor Erstverwendung?
Nein. Leitern sind nicht montageabhängig. Trotzdem legst du wiederkehrende Prüfungen fest, weil auf Baustellen Verschleiß, Verformungen und beschädigte Holme auftreten. Häufige Nutzung und raue Umgebung verkürzen die Prüffristen.

6) Neu geliefertes Elektrowerkzeug (z. B. Bohrhammer): Erstprüfung nach § 14?
Nicht als „große“ Abnahme. Du machst eine ordentliche Inbetriebnahme mit Sicht‑/Funktionscheck und organisierst im Betrieb regelmäßige Kontrollen. Die eigentliche Beurteilung, ob und wie gemessen wird, richtet sich nach deiner Gefährdungsbeurteilung und den einschlägigen Fachregeln außerhalb von § 14.

7) Anschlagmittel (Ketten, Schlingen, Traversen): Wie gehe ich vor?
Vor Benutzung kontrollierst du Zustand und Kennzeichnung. Danach legst du wegen der schädigenden Einflüsse (Abrieb, Kerben, Korrosion) wiederkehrende Prüfungen durch eine befähigte Person fest. Ablegereife‑Kriterien gehören in deine Arbeitsanweisungen.

8) Krane, Hubarbeitsbühnen & Co.: Zählen die zu den „besonders prüfpflichtigen“ Arbeitsmitteln?
Viele dieser Arbeitsmittel fallen unter die besonders prüfpflichtigen Kategorien aus Anhang 3. Dann gibt es eine umfassende Prüfung vor Erstinbetriebnahme, vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtiger Änderung und in festgelegten Intervallen. Höchstfristen dürfen nicht überschritten werden.

9) Software‑Update an einer Maschinensteuerung – ist das eine Änderung im Sinne von § 14?
Wenn das Update Sicherheitsfunktionen, Grenzwerte oder das Schutzkonzept beeinflussen kann, ja. Dann ist vor der nächsten Verwendung eine außerordentliche Prüfung fällig. Gleiches gilt bei Antriebs‑ oder Komponentenwechsel oder beim Anbau neuer Einrichtungen.

10) Sturm, Überflutung, langer Stillstand – was dann?
Außerordentlich prüfen, bevor weitergearbeitet wird. Naturereignisse, Umstürzen, Anfahren von Anlagen oder monatelange Nichtnutzung können Schutzfunktionen beeinträchtigen. Ohne dokumentierte Prüfung gibt es keine Freigabe.

11) Welche Prüffristen setze ich für die Baustelle?
So, dass der sichere Betrieb bis zur nächsten Prüfung gewährleistet bleibt. Maßgeblich sind Beanspruchung, Umfeld und Nutzungshäufigkeit. Bei Arbeitsmitteln mit besonderen Pflichten hältst du die dort genannten Höchstfristen ein. Wenn eine Prüfung ergibt, dass es bis zur nächsten Frist nicht sicher reicht, verkürzt du die Frist.

12) Wie funktioniert die Fälligkeit mit Monat/Jahr und der „2‑Monats‑Toleranz“?
Du führst Fälligkeiten immer als Monat/Jahr. Die neue Frist beginnt mit dem Fälligkeitstermin der letzten Prüfung. Eine Prüfung gilt noch als fristgerecht, wenn sie spätestens zwei Monate nach Fälligkeit durchgeführt wurde. Das ist eine Sicherheitslinie – kein Dauerpuffer.

13) Was dokumentiere ich mindestens?
Art der Prüfung, Prüfumfang, Ergebnis sowie Name und Unterschrift der befähigten Person (elektronische Signatur möglich). Bei wechselnden Einsatzorten hältst du den Nachweis am Einsatzort bereit. Eine Plakette ohne Protokoll ist wertlos.

14) Reicht die CE‑Kennzeichnung als „Erstprüfung“?
Nein. CE deckt die Hersteller‑Konformität ab. Vor Ort prüfst du das, was nur dort beurteilt werden kann: korrekte Montage, tatsächliche Funktion und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen im konkreten Aufbau. CE‑Inhalte prüfst du nicht doppelt.

15) Brauche ich speziell kalibrierte Prüfmittel?
Du setzt geeignete Hilfsmittel und – falls nötig – Messgeräte ein, die für die Aufgabe taugen und deren Zustand nachvollziehbar ist. Ziel ist eine belastbare Aussage zu Montage, Funktion und Wirksamkeit. Behalte Kalibrier‑ bzw. Funktionsnachweise deiner Messgeräte im Blick und dokumentiere, womit geprüft wurde.


Drei schnelle Baustellen‑Beispiele

Baustromverteiler im Neubau: Der Elektriker stellt um, neue RCD‑Schutzeinrichtungen werden eingesetzt. Vor Freigabe prüft eine befähigte Person den konkreten Aufbau, die Funktion der Schutzorgane und die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen. Erst dann werden die Steckdosen freigegeben.

Fahrgerüst eines Nachunternehmers: Das Team versetzt das Gerüst um zwei Achsen und ändert die Belaghöhe. Vor der Nutzung prüft die befähigte Person Montagezustand, Verankerung/Abstützung, Zugänge und Geländer – dokumentiert, freigegeben, danach tägliche Sichtkontrolle.

Anschlagkette für Kranhub: Im Einsatz fallen Kerben an einem Kettenglied auf. Das Anschlagmittel wird sofort ausgesondert, eine befähigte Person bewertet den Schaden. Parallel werden die Prüffristen in der Gefährdungsbeurteilung überprüft und ggf. verkürzt, weil die Beanspruchung höher ist als angenommen.